Pretoria Verrat an Mandelas Erbe

Pretoria · Korruption, Kriminalität und der Verfall der Wirtschaft zehren an der Popularität der südafrikanischen Regierungspartei ANC.

Als begnadeter Redner wird Jacob Zuma sicher nicht in die Geschichte eingehen. Die Ansprachen des südafrikanischen Präsidenten sind hölzern und derzeit mit düsteren Warnungen gespickt. Auf der Abschlusskundgebung seines Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) vor den Kommunalwahlen in dieser Woche bemühte der 74-Jährige sogar die in Afrika weithin verehrten Ahnen, um die oft abergläubische Landbevölkerung zur Stimmabgabe zu bewegen. Wer dem ANC und damit auch dem 2013 gestorbenen Nelson Mandela, seinem berühmtesten Vertreter, die Gefolgschaft verweigere, werde von seinen Vorfahren verflucht und im Leben glücklos bleiben, sagte er.

Zumas Rückgriff auf die unterschwelligen Ängste vieler einfacher Menschen am Kap hat seinen Grund: Für den von ungezählten Skandalen gebeutelten Präsidenten geht es in den Kommunalwahlen um einiges, wenn auch nicht unbedingt um sein politisches Überleben. Die zentrale Frage lautet vielmehr: Wird Zuma trotz seiner vielen Fehltritte bis zur nächsten nationalen Wahl im Jahr 2019 im Amt bleiben, oder wird ihn ein schwaches Ergebnis zum Rückzug in den vorzeitigen Ruhestand zwingen? Genau dies macht die Kommunalwahl vom Mittwoch, deren Ergebnisse morgen erwartet werden, zur bedeutendsten seit den ersten freien Wahlen im April 1994 und dem Machtantritt von Nelson Mandela.

Viele bislang loyale ANC-Wähler sind von ihren Befreiern bitter enttäuscht. Arbeitslosigkeit und Gewalt stagnieren auf hohem Niveau. Das Wirtschaftswachstum im einst vielversprechendsten Staat Afrikas ist von fast fünf Prozent vor zehn Jahren auf praktisch null gefallen. Eigentlich braucht Südafrika nach Ansicht der Weltbank jährlich sieben Prozent Zuwachs, um seine Armut ansatzweise zu lindern. Aus Enttäuschung über dieses Versagen hat der ANC nun in mehreren Großstädten, darunter in der Hauptstadt Pretoria und dem Wirtschaftszentrum Johannesburg, empfindliche Verluste erlitten. Nach letzten Auszählungen gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Dass die liberale Opposition um Mmusi Maimane bislang nicht mehr Kapital aus der Schwäche und Zerrissenheit des ANC schlagen konnte, lag vor allem daran, dass die seit Kurzem von dem 36-Jährigen geführte Democratic Alliance (DA) von den meisten Schwarzen noch immer als Partei der Weißen wahrgenommen wird. In den allgemeinen Wahlen vor zwei Jahren gewann die DA zwar respektable 22 Prozent aller Stimmen, doch nur sechs Prozent der schwarzen Wähler. Seit ein paar Jahren regiert die Partei mit viel Erfolg Kapstadt und die umliegende Provinz Westkap, die sie diesmal sogar mit einer satten Zweidrittel-Mehrheit gewann.

Vieles deutet jetzt darauf hin, dass die DA nun zumindest die Küstenstadt Port Elizabeth direkt gewinnen wird. Und die liegt ausgerechnet in Mandelas Heimatprovinz Ostkap und hat hohe symbolische Bedeutung. Schwieriger dürfte sich eine Machtübernahme im Großraum Pretoria und der Wirtschaftsmetropole Johannesburg gestalten, in der 25 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung leben und die mehr als ein Drittel zur südafrikanischen Wirtschaftsleistung beiträgt. Um hier zu regieren, müsste die DA eine Koalition mit einem Rivalen bilden, was fast unmöglich ist.

Das Zünglein an der Waage dürften in beiden Städten ausgerechnet die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF) um den Heißsporn Julius Malema (35) bilden, die trotz ihres Namens die Wirtschaft nicht öffnen, sondern Banken, Minen und weißes Farmland verstaatlichen wollen. Die EFF wurde erst vor drei Jahren gegründet, als sich Malema, damals noch Chef der ANC-Jugendliga, spektakulär mit Präsident Zuma überwarf und aus dem ANC geworfen wurde.

Inzwischen haben Malema und seine Sturmtruppen mit ihrem revolutionären Jargon und vielen publikumswirksamen Auftritten im Parlament die südafrikanische Politik kräftig aufgemischt. Während die DA Chancengleichheit und eine soziale Marktwirtschaft befürwortet, droht Malema mit Rassenquoten und sozialistischen Experimenten wie in Venezuela und Simbabwe. Obwohl beide miteinander eigentlich nicht koalitionsfähig sind, hat keine von ihnen eine Kooperation ausgeschlossen. Denn sie können den ANC vielerorts nur gemeinsam von der Macht entfernen. Die Partei Mandelas ist aber trotz aller Skandale auf dem Land immer noch stark. Nach dem in Afrika üblichen Verfallsdatum für Befreiungsbewegungen, die gewöhnlich bei einem Vierteljahrhundert liegt, wird es wohl noch bis zur nächsten allgemeinen Wahl 2019 dauern, bis sich wirklich etwas verändert.

(RP)
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