Caracas Venezuela steht vor einem Bürgerkrieg

Caracas · Die Staatsmacht fährt das gesamte Arsenal auf: Um die widerspenstige Generalstaatsanwältin abzusetzen, sind Dutzende schwer bewaffnete Mitglieder der Nationalgarde notwendig. Die umstellen das Gebäude der Justizbehörde. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega, einst eine treue Helferin von Revolutionsführer Hugo Chávez, inzwischen eine scharfe Widersacherin von dessen Wunschnachfolger im Präsidentenamt, Nicolás Maduro, bleibt nur noch die Flucht. In Rekordzeit schaffen Venezuelas Sozialisten neue Fakten. Ortega ruft das Volk zum Widerstand auf, doch angesichts der militärischen Wucht, mit denen die Sozialisten auftreten, schauen die Venezolaner wie paralysiert nach Caracas. Und viele haben Angst, sich auf die Straße zu trauen. Ein Ziel hat die Regierung Maduro offensichtlich schon erreicht: Die Massenproteste sind erst einmal gestoppt.

Derweil postet General Padrino Lopez bei Twitter ein Video mit einem Panzer und dem sozialistischen Leitspruch: "Venceremos" ("Wir werden siegen"). Das weckt dunkle Erinnerungen an Zeiten der brutalen lateinamerikanischen Militärdiktaturen wie in Chile unter General Augusto Pinochet oder General Alfredo Stroessner in Paraguay, die das eigene Volk mit militärischer Gewalt in Schach hielten. Erst vor Wochen hatte Maduro angekündigt: "Was wir nicht mit Stimmen schaffen, machen wir mit Waffen." Nun hält er Wort.

Trotz der verlorenen Mehrheit bei der Parlamentswahl 2015, der scharfen internationalen Kritik an der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung, eines Appells von Papst Franziskus und wochenlangen Protesten im Land, baut Maduro die Machtarchitektur in dem südamerikanischen Land nun nach seinen Wünschen um. Das Gremium war einst von Revolutionsführer Hugo Chavez (1999 bis 2013) in die Verfassung eingebaut worden. Als Nachfolger der widerspenstigen Generalsekretärin hat es in Tarek William Saab einen linientreuen Erfüllungsgehilfen der Regierung installiert, vom neuen Generalstaatsanwalt sind keine kritischen Nachfragen mehr zu erwarten.

Die Präsidentin der Versammlung, Ex-Außenministerin Delcy Rodriguez, hat bereits das nächste Ziel im Visier: die führenden Köpfe der Opposition. Diese sollen für einen "neoliberalen Wirtschaftskrieg" gegen das Volk ebenso zur Rechenschaft gezogen werden wie für die Gewalt bei den Massenprotesten. Dazu braucht sie einen Generalstaatsanwalt, der das Spiel mitspielt. Menschenrechtsorganisationen und die katholische Kirche sehen das anders: Sie werfen dem Maduro-Regime vor, die Sicherheitskräfte gezielt gegen das Volk einzusetzen und für die Gewalt verantwortlich zu sein. Der Bischof Mario Moronta appelliert gar an das Militär, die Seiten zu wechseln und sich auf die Seite des Volkes zu stellen.

Die Opposition und die internationale Staatengemeinschaft reagieren hilflos. Die USA unter einem desinteressierten Präsidenten Donald Trump ignorieren die Krise weitgehend und haben einige bedeutungslose Sanktionen verhängt. In Venezuela ist die Opposition paralysiert: Es ist ein Streit über die Frage ausgebrochen, ob sich die Regierungsgegner an den Regionalwahlen beteiligen wollen oder nicht. Umfragen sagen einen Sieg der Opposition voraus, doch die Versammlung kann mit ihrer Allmacht auch diese Institutionen kaltstellen.

(RP)
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