US-Wahlen Neue E-Mail-Affäre belastet Clinton

Philadelphia · Die Führung der Demokraten machte Clintons Rivalen Sanders das Leben schwer. Die Parteichefin tritt zurück - ein Fehlstart in den Parteitag.

Hillary Clinton – US-Präsidentschaftskandidatin 2016
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Das ist Hillary Clinton

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Foto: afp, js

Eigentlich sollte es der bisherige Höhepunkt in der Karriere der Debbie Wasserman Schultz werden. Wäre alles nach Plan verlaufen, hätte die aufstrebende 49-jährige Kongressabgeordnete aus Florida vier Abende hintereinander im Rampenlicht gestanden. Wäre sie nicht gestolpert über die E-Mail-Affäre, die zum Auftakt des Wahlkonvents der Demokratischen Partei für kräftigen Wirbel sorgt, hätte sie in der Rolle der Cheforganisatorin Regie geführt. So aber musste die Vorsitzende des Nationalkomitees der Demokraten (DNC) ihren Rücktritt einreichen - derart abrupt, dass jedem klar war, dass Hillary Clinton sie massiv unter Druck gesetzt hatte.

Zumindest zu Beginn also wird die Veranstaltung im Wells Fargo Center zu Philadelphia, die doch eigentlich ein Fest der Harmonie werden, im markanten Kontrast zum Parteitag der lautstark zerstrittenen Republikaner, überschattet von einem Skandal. Erneut wirft eine E-Mail-Affäre die schönen Szenarien über den Haufen, nachdem schon der fahrlässige Umgang der Außenministerin Clinton mit elektronischer Dienstpost deren Wahlkampf getrübt hatte.

Diesmal geht es um 19.252 gehackte Mails vom internen Parteiserver, veröffentlicht von der Enthüllungsplattform Wikileaks. Sie ergeben das Bild eines Parteivorstands, der dem stark auftrumpfenden Außenseiter Bernie Sanders einen Stein nach dem anderen in den Weg legte, obwohl die Regeln strikte Neutralität verlangt hätten. Und der in dem 74 Jahre alten Senator irgendwann nur noch einen bockigen Störenfried sah.

In einer E-Mail vom 21. Mai, als die Ziellinie des Vorwahlmarathons in Sicht kam, schlug Wasserman Schultz vor, auf bestimmte Aussagen von Sanders gar nicht erst zu reagieren: Der Mann werde sowieso nicht Präsident. Dann wieder regte ein Mitarbeiter an, das vermeintliche Chaos in den Reihen des Clinton-Rivalen zum Thema zu machen: Wenn man erzähle, dass Bernie nichts auf die Reihe kriege, könnte das doch eine schöne Geschichte sein. Um den Hoffnungsträger der Linken zu stoppen, versuchten DNC-Insider vor den Vorwahlen in Kentucky und West Virginia, Zweifel am jüdischen Glauben des Kandidaten zu säen. In Wahrheit sei Sanders ein Atheist, sollte in den beiden Staaten suggeriert werden, in denen viele Wähler als besonders religiös gelten.

Das Bemerkenswerteste an dem Kapitel ist, mit welcher Würde der Senator auf die Enthüllungen reagierte. Er wisse seit Langem, dass sich das DNC ihm gegenüber nicht fair verhalten habe, sagte er und gab zu verstehen, dass er die Affäre für einen Nebenkriegsschauplatz hält. Nach Sanders' Worten haben die Demokraten alles einem einzigen Ziel unterzuordnen, nämlich zu verhindern, dass Donald Trump im November die Wahl gewinnt und ins Weiße Haus einzieht.

Ebenso bemerkenswert sind die außenpolitischen Irritationen, die den Enthüllungen folgen. Nach Lesart des Clinton-Lagers hat Russland seine Hände im Spiel, womöglich der russische Präsident Wladimir Putin persönlich. Robby Mook, Clintons Wahlkampfmanager, sieht Hacker im Auftrag des Kreml am Werk; sie hätten den Fundus an Wikileaks weitergegeben. Beweise nennt Mook nicht, glaubt aber ein politisches Motiv auszumachen: Mit der Affäre wollten die Russen Trump im Duell gegen Clinton unterstützen. Moskau habe gute Gründe, sich auf die Seite des Milliardärs zu stellen. Der habe schließlich erkennen lassen, dass die Vereinigten Staaten unter einem Präsidenten Trump den baltischen Nato-Mitgliedern im Zweifelsfall den Beistand verweigern, sollten diese von Russland angegriffen werden und ihren finanziellen Verpflichtungen im Rahmen des Bündnisses nicht nachgekommen sein.

Die Bundespolizei FBI untersucht die Angelegenheit. Wie die "New York Times" unter Berufung auf Ermittler schreibt, sind die Behörden zu dem Schluss gekommen, dass die Hacker im Auftrag zweier russischer Geheimdienste handelten. Metadaten der E-Mails ließen demnach erkennen, dass die digitale Post durch russische Rechner gelaufen sei. Im Juni hatte eine vom DNC beauftragte Computersicherheitsfirma von einer Gruppe namens "Cozy Bear" ("Gemütlicher Bär") gesprochen, die sich bereits vor einem Jahr Zugang zu dem Server verschafft haben soll. Im April soll eine zweite Gruppe, "Fancy Bear" ("Einfallsreicher Bär"), dazugekommen sein, angeblich eine Sparte des russischen Militärgeheimdienstes.

(RP)
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