Ukraine-Krise Russland-Politik trennt Union und SPD

Berlin · Zwischen Union und SPD gibt es erste Misstöne, was die Strategie im Umgang mit dem russischen Präsidenten Putin angeht. Nach der Brandrede der Kanzlerin wegen Putins Aggression warnte Steinmeier vor verbaler Eskalation.

 Außenminister Frank-Walter Steinmeier (2. v. r.) bei Gesprächen zur Ukraine-Krise in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko (2. v. l.).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (2. v. r.) bei Gesprächen zur Ukraine-Krise in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko (2. v. l.).

Foto: AP

Bei Verhören gibt es die Strategie des "Good Cop" und des "Bad Cop" - was bedeutet, dass einer gegenüber dem Beschuldigten die Rolle des Guten und der andere die Rolle des Bösen oder Unangenehmen übernimmt. Diese Strategie könnte auch in der Diplomatie wirken. Nach ihrem vierstündigen, unversöhnlichen Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ungewöhnlich deutlich geworden. Russlands Verhalten stelle "nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage", sagte Merkel.

Zugleich warnte sie auch vor Gefahren für Georgien, Moldawien und Serbien. Nur wenige Stunden später machte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Vorschläge, wie der Dialog mit Russland wieder in Gang gesetzt werden könne. Zunächst reiste er in die Ukraine, wo er mit Präsident Petro Poroschenko sprach und dann weiter nach Moskau. Putin lud Steinmeier daraufhin überraschend zu einem Besuch im Kreml ein.

Merkel und Steinmeier vertrauen einander und stimmen ihre Außenpolitik eng miteinander ab. Bei beiden steht die Diplomatie an erster Stelle, um den Konflikt mit Russland zu lösen. So weit stimmt das Bild. Dennoch sind ihre gegensätzlichen Äußerungen weniger einer bewussten Rollenverteilung geschuldet als einer Differenz im Umgang mit Putin zwischen Union und SPD.

Die Sozialdemokraten fordern trotz der Aggressionen von russischer Seite einen stärker partnerschaftlich geprägten Kurs mit Moskau. Als der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums und frühere Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, die Isolierung Putins beim G 20-Gipfel kritisierte, sprach er vielen Sozialdemokraten aus dem Herzen. "Wir haben Russland nicht ernst genommen in seiner Einkreisungsangst", sagte Platzeck. Er betonte auch, die russische Seite vermisse Respekt und Ansprache auf Augenhöhe.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), mahnt hingegen: "Wir müssen Putin gegenüber Kurs halten." Dieser Kurs bestehe aus drei Elementen: einem Dauerangebot für eine diplomatisch-politische Lösung, der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine sowie einem System wirtschaftlicher Sanktionen. "Jedes Entgegenkommen Europas, ohne dass auch Putin einlenkt, läuft dieser Strategie zuwider", sagte Röttgen unserer Zeitung. So lange Putin mit militärischer Gewalt die europäische Friedensordnung verletze, müsse Europa auch klar sein in seiner Ablehnung. "Putin testet die Grenzen aus, wie weit er gehen kann. Und er wird so weit gehen, wie er kann."

Auch der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, mahnt zur "strategischen Geduld". Der Tag werde kommen, an dem Moskau wiederentdecke, "dass seine Grenzen mit Europa sicherer sind als alle anderen", sagte Ischinger unserer Zeitung. Russland werde auch wiederentdecken, "dass die EU Russland genau die Formen der Zusammenarbeit anbieten kann, die Russland für seine Modernisierung dringend braucht und die es von China nicht erhalten wird".

Die Linken hingegen fordern in der Ukraine-Krise ein dringendes "Deeskalationssignal" an Putin. "Merkel sollte als Gastgeberin des nächsten G 8-Gipfels ein Zeichen setzen und Putin wieder als gleichberechtigten Partner einladen", forderte die Parteichefin der Linken, Katja Kipping. Es müsse auf beiden Seiten geredet werden, um die Eskalation zu stoppen. Ein dauerhaftes Friedenssystem in Europa werde es ohne Aussöhnung mit Russland nicht geben.

(may-, qua)
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