Jerusalem Türkei und Israel beenden diplomatische Eiszeit

Jerusalem · Sechs Jahre nach der israelischen Erstürmung der "Mavi Marmara", eines türkischen Passagierschiffs, das mit Hilfsgütern auf dem Weg zum Gazastreifen war, unternehmen Jerusalem und Ankara einen erneuten Anlauf zur Normalisierung ihrer Beziehungen. Israel wird Verletzten und Familien von neun türkischen Zivilisten, die bei den Gefechten mit Marinesoldaten ums Leben kamen, eine Wiedergutmachung von insgesamt rund 18 Millionen Euro zahlen. Umgekehrt verzichtet die Türkei darauf, Anklage gegen das israelische Militär zu erheben.

Beide Seiten profitieren von der bevorstehenden Wiederaufnahme voller diplomatischer Beziehungen. Galia Lindenstrauss vom Tel Aviver Institut für Nationale Sicherheitsstudien glaubt, dass Ankara mit der Annäherung vor allem der eigenen Abhängigkeit vom russischen Gas entgegenwirken wollte. Die Türkei, die 55 Prozent ihres Gasbedarfs mit russischen Importen decke, sei international derzeit stark isoliert.

Medienberichten zufolge gibt es zudem Pläne, israelisches Gas über die Türkei nach Europa zu exportieren. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten waren mit dem Amtsantritt von Recep Tayyip Erdogans als Ministerpräsident 2003 in schweres Wasser geraten. Erdogan gehört zu den lebhaftesten Kritikern von Israels Siedlungspolitik und des Embargos gegen den Gazastreifen. Der Tod der neun türkischen Aktivisten auf der "Mavi Marmara" führte schließlich zum Abzug der Botschafter aus Tel Aviv und dann auch aus Ankara.

Bereits vor drei Jahren hatte sich Israels Premier Benjamin Netanjahu beim türkischen Volk für die Todesfälle bei dem Marineeinsatz entschuldigt.

Am Wochenende hatte Erdogan Hamas-Chef Khaled Mashal in Istanbul empfangen. Die Hamas-Führung im Gazastreifen lehnt das türkisch-israelische Abkommen ab, denn es verspricht kein Ende der Seeblockade. Die Palästinenser sollen indes nicht leer ausgehen. Israel garantiert, Hilfslieferungen aus der Türkei am Hafen von Ashdod in Empfang zu nehmen, und von dort aus in den Gazastreifen weiterzuleiten.

Außerdem gibt es den Türken grundsätzlich grünes Licht, schon bald ein Elektrizitätswerk und eine Entsalzungsanlage im Gazastreifen zu errichten.

(RP)
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