Opposition fordert Konsequenzen Grüne: Mehr Geld für Kampf gegen Rechts

Berlin · Nach dem Brandanschlag auf ein künftiges Flüchtlingsheim in Tröglitz fordert die Opposition Konsequenzen von der Bundesregierung.

"Mit Tröglitz ist ein Wendepunkt erreicht"
Infos

"Mit Tröglitz ist ein Wendepunkt erreicht"

Infos
Foto: qvist /Shutterstock.com/Retusche RPO

Rund 2700 Einwohner leben in dem kleinen Ort Tröglitz, einst in den 1930er Jahren als Arbeiterkolonie der früheren Braunkohlen-Benzin AG gegründet. Heute macht das Städtchen im Süden Sachsen-Anhalts als brauner Schandfleck bis weit über die Grenzen der Republik von sich Reden: In der Nacht zu Samstag steckten dort bisher Unbekannte den Dachstuhl einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Brand. Staatsanwaltschaft und Staatsschutz ermitteln - bisher erfolglos.

Erst Anfang März war der parteilose Bürgermeister Markus Nierth wegen rechtsradikaler Anfeindungen gegen sich und seine Familie zurückgetreten, die Bundespolitik zeigte sich empört. Und der zuständige CDU-Landrat Götz Ulrich erhält nun Polizeischutz, weil er sich für die Unterbringung von 40 Asylbewerbern in Tröglitz einsetzt. In seinem E-Mail-Postfach hatte Ulrich Morddrohungen gefunden und musste offenbar von Enthauptung als möglicher Methode lesen.

Reflexartig fordern Bundespolitiker jetzt eine Erhöhung der Mittel im Kampf gegen Rechtsradikalismus. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Allein mit einem Verbot der NPD ist menschenverachtendes, rassistisches Denken nicht aus den Köpfen herauszubekommen. Wir müssen den Kampf gegen Rechts verstärken und dafür mehr Mittel bereitstellen." Seine Partei hatte schon lange gefordert, dass Summen im Bundesprogramm "Demokratie leben" um weitere zehn Millionen auf mindestens 50 Millionen Euro erhöht würden. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte zuletzt im Januar verkündet, dieses Präventionsprogramm gegen Extremismus allgemein für das laufende Jahr um zehn Millionen auf aktuell 40,5 Millionen Euro zu erhöhen - damals noch unter dem Eindruck der Attentate radikaler Muslime in Paris.

Für Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei, liegt das Problem zudem bei der Unterstützung der Städte und Gemeinden durch den Bund. Er forderte von der Bundesregierung, den Kommunen mehr Geld für die Unterkunft, Versorgung und Integration von Flüchtlingen zuzusichern. Unserer Zeitung sagte Riexinger: "Es gibt in Deutschland kein Problem mit Flüchtlingen, sondern ein Problem mit Fremdenfeindlichkeit bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein." Struktureller Stammtisch-Rassismus und geistige Brandstifter dürften niemals toleriert werden. Vielmehr brauche es eine "kompromisslose Willkommenskultur", sagte Riexinger.

Mitglieder der Bundesregierung zeigten sich am Wochenende schockiert ob der jüngsten Vorfälle in Tröglitz. Zu solchen Forderungen nach mehr Geld hielt sich die große Koalition aber bedeckt. Schwesig sagte der "Bild am Sonntag" lediglich, man dürfe "beim Kampf gegen Rechtsradikalismus nicht nachlassen". Unionsfraktionschef Volker Kauder nannte den Brandanschlag in der "Welt" einen "Anschlag auf unseren Rechtsstaat". Und auch auf internationaler Ebene fand der Vorfall aus der ostdeutschen Provinz Widerhall. Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, mahnte, die Alarmglocken in Europa sollten schrillen. "Die Demokratie wird zunehmend bedroht durch rassistischen, fremdenfeindlichen, politischen und religiösen Extremismus", sagte Jagland.

Dabei sind die Vorfälle in Tröglitz längst kein Einzelfall. In den vergangenen Monaten hatten in Deutschland schon zweimal so gut wie bezugsfertige Flüchtlingsunterkünfte gebrannt: Im mittelfränkischen Vorra steckten mutmaßlich rechtsextreme Täter in der Nacht zum 12. Dezember einen umgebauten Gasthof samt Scheune sowie ein benachbartes Wohnhaus in Brand, wo Flüchtlinge unterkommen sollten. In Escheburg bei Lübeck brach wiederum am 9. Februar Feuer in einer Unterkunft aus, in die am nächsten Tag irakische Flüchtlinge einziehen sollten. Später gestand ein Nachbar, mit dem vorsätzlich gelegten Feuer den Einzug der Flüchtlinge verhindern zu wollen. In Erinnerung sind auch die verheerenden Anschläge in den 1990er Jahren. In Mölln und Solingen zündeten Rechtsextreme damals zwei von Türken bewohnte Häuser an, acht Bewohner starben. Schwere Attacken gab es auch in Rostock, Hünxe am Niederrhein und im sächsischen Hoyerswerda.

Hinzu kommt, dass neben den jüngsten Brandanschlägen Drohungen gegen Politiker keine Seltenheit sind. Das ZDF-Morgenmagazin hatte etwa über das Städtchen Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern berichtet. Dort werden dem Beitrag zufolge der parteilose Bürgermeister und eine Linken-Politikerin von Rechtsextremen angefeindet und bedroht. Grund seien ihr Einsatz für rund 500 Flüchtlinge, die in der Kleinstadt mit knapp 30 000 Einwohnern unterkommen konnten.

Im Fall Tröglitz hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nun die schnelle Aufklärung der Tat gefordert. Doch der zurückgetretene Bürgermeister Markus Nierth hat an Ostern neue Drohungen erhalten. Noch am Samstag, dem Tag nach dem Brandanschlag, hatte er eine Kundgebung gegen Fremdenhass mit rund 300 Teilnehmern in Tröglitz organisiert. Für Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ist unterdessen klar, dass Flüchtlinge in Tröglitz unterkommen werden. Allerdings stehen nun alle Unterkünfte in dem Bundesland unter Polizeischutz.

(jd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort