Lhasa Tibet übt Widerstand am "weißen Mittwoch"

Lhasa · Eng und stickig ist es in dem kleinen Tanzcafé im Zentrum von Lhasa, doch gerade das trägt zur Stimmung bei. Junge Tibeter, Chinesen und ein paar Touristen wiegen sich im Rhythmus der Musik. Wenn einheimische Musiker auftreten, sind die Tibeter nicht mehr zu halten. "Vergesst euer Erbe nicht, Tibeter aus dem Schneeland! Haltet zusammen!" schallt es von der Bühne und die Tänzer singen laut mit. Die einfachen Slogans entfalten große Wirkung, geben den Tibetern Kraft und Mut - und sind Teil einer neuen Widerstandsbewegung.

Gut sechs Jahre ist es her, dass sich die Tibeter in weiten Landesteilen gegen die chinesische Herrschaft erhoben haben. Das Ergebnis war verheerend: Der Aufstand wurde niedergeschlagen, Hunderte zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt, die Repression noch weiter verschärft.

Aus Verzweiflung über die Ohnmacht begann 2011 eine Welle von Selbstverbrennungen. Mehr als 130 Tibeter haben den freiwilligen Feuertod gesucht, doch Peking gibt sich ungerührt, verweigert jedwede Konzession und macht den Dalai Lama verantwortlich.

Weil nicht alle Tibeter bereit sind, ihr Leben oder den Rest ihrer Freiheit zu opfern, hat sich eine andere Form des Widerstands entwickelt, still, weniger spektakulär, aber womöglich effektiver. "Lhakar" nennt sich die Bewegung, auf Deutsch "Weißer (glücksverheißender) Mittwoch". An einem Mittwoch wurde der Dalai Lama geboren, und in stiller Übereinkunft haben die Tibeter ihn zum Feiertag erhoben. An dem Tag kleiden sich die Lhakar-Aktivisten festlich, sie gehen nur Tibetisch essen, sprechen nur Tibetisch und ein Besuch im Tempel ist obligatorisch."Eine stille Macht verändert den tibetischen Widerstand, deren Stärke in den kleinen Dingen des Lebens liegt, die fälschlicherweise oft als banal und unwichtig angesehen werden", erklärt die Aktivistin Dechen Pemba.

"In der Vergangenheit war das politische Bild immer schwarz-weiß: Wenn du für die Unabhängigkeit demonstrierst, gehst du für zehn oder zwanzig Jahre ins Gefängnis und wirst dort gefoltert", beschreibt beschreibt Tenzin Dorjee von "Studenten für ein freies Tibet" die Lage. "Mit der Lhakar-Bewegung können die Leute so viele Dinge machen, für die sie nicht sofort verhaftet werden und die Barriere der Furcht wird durchbrochen."

Tatsächlich weiten sich die Aktionsformen immer mehr aus. In Nagchen, einer der tibetischen Hochburgen im Osten, beherrschten Chinesen den Markt. Tibeter waren gezwungen, überteuerte Produkte zu kaufen. Lange Zeit nahmen sie das mit klaglosem Fatalismus hin. Im Zuge der Lhakar-Sensibilisierung entschlossen sich die Tibeter, den Markt zu boykottierten. Das hatte Folgen, denn nach zwei Monaten mussten die ersten Chinesen ihre Stände mangels Kundschaft schließen. Gleichzeitig ermöglichte der Boykott tibetischen Bauern, nun selbst Produkte anzubieten.

(RP)
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