Persönlich Theresa May . . . sitzt in Brüssel am Katzentisch

Die Erwartungen an Großbritanniens Premierministerin Theresa May, die nach 100 Tagen im Amt gestern zum ersten Mal zu einem EU-Gipfel nach Brüssel reiste, waren schon vor Beginn des Treffens der Regierungschefs gering. Lediglich die Frage, für welches Paar Schuhe sich die 60-Jährige entscheiden würde, sorgte vor Beginn des Treffens noch für Spannung. Wie lange ihre 27 EU-Kollegen noch in den Genuss von Mays extravaganter Musterwahl kommen, ist unklar. Denn sie hat noch keinen genauen Ablaufplan für den britischen Ausstieg aus der Europäischen Union bekanntgegeben. Bis dahin wird sie sich aber an den Gedanken gewöhnen müssen, dass sie in der Runde der Staatenlenker nicht allzu viel zu sagen hat: Sie sitzt, passend zu ihren Schuhen im Leopard-Look, am sprichwörtlichen Katzentisch, also politisch isoliert von ihren Noch-Kollegen. Denn wenn es um die Zukunft der Union geht, steht Großbritannien seit dem Brexit-Votum im Abseits. Austrittsverhandlungen standen gestern nicht auf der Tagesordnung. Theresa May will der EU frühestens im März ein formelles Schreiben übergeben. Die Hoffnungen, dass sich dies noch ändert und die Briten in der EU bleiben, hat May gleich zu Beginn ihrer Amtszeit zerstört. Brexit bedeute Brexit.

Über das Wie und besonders das Wann gehen die Meinungen jedoch auseinander. Im Kabinett ist laut britschen Medienberichten ein Streit darüber entbrannt, ob man einen klaren Schnitt vollziehen solle oder die Zusammenarbeit in einigen Bereichen, wie dem Zugang zum Binnenmarkt, aufrechterhält. Mays Position ist derweil unklar. Lediglich das Adjektiv "weich" war Downing Street zu entlocken. Ein "weicher" Brexit also, der den Briten den Zugang zum Binnenmarkt und weitere Vorteile der EU erhält, sie gleichzeitig aber von der Freizügigkeit von EU-Bürgern ausklammert? Ihre Amtskollegen werden auf diesen Deal wohl nicht eingehen.

(RP)
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