Kompromiss- und gnadenlos Einwanderungspolitik auf Australisch

Düsseldorf · Australien ist ein Einwanderungsland. Eine Viertelmillion Menschen werden jedes Jahr aufgenommen. Illegale Bootsflüchtlinge schiebt die Regierung dagegen gnadenlos ab.

Der Film dauert 90 Minuten, sein Titel lautet "The Journey" ("Die Reise"). Der Streifen hat den australischen Steuerzahler umgerechnet vier Millionen Euro gekostet und erzählt die haarsträubende, aber erfundene Geschichte von Flüchtlingen, die mit Hilfe von Schleppern vergeblich nach Australien gelangen wollen. Der Zweck: Asylbewerber abzuschrecken.

"Die Reise" wurde in Afghanistan, im Iran, im Irak, in Malaysia und Pakistan teils mehrfach zur besten Sendezeit im Fernsehen gezeigt und gehört zur australischen Strategie, Migranten schon vor Beginn einer Flucht in Richtung auf den fünften Kontinent eine klare Botschaft zukommen zu lassen: Bei uns kommt ihr auf diese Weise nicht rein.

Wer es dennoch versucht, der wird meist schon auf hoher See von der australischen Marine aufgegriffen und entweder direkt in sein Herkunftsland zurückgebracht oder - wenn dies nicht möglich ist - in gottverlassenen Camps in der Südsee interniert. "Millionen wollen nichts anderes, als nach Australien zu kommen", sagt Australiens Einwanderungsminister Peter Dutton. "Aber wir sind es, die entscheiden, wen wir bei uns aufnehmen - nicht die Menschenschmuggler."

Seit gut drei Jahren ist kein einziger Bootsflüchtling mehr nach Australien gelangt, und wenn es nach der Regierung in Canberra geht, wird das auch in Zukunft so sein. "Wir haben die Menschenschmuggler gestoppt und damit verhindert, dass Flüchtlinge bei der Überfahrt auf hoher See ertrinken. Deshalb müssen wir weiter unsere Grenzen schützen. Und das werde ich tun, solange ich Premierminister von Australien bin", verkündete Premier Malcolm Turnbull.

An dieser Politik der geschlossenen Grenzen dürfte sich wohl auch dann nichts ändern, sollte bei den Wahlen im Sommer die Labor-Opposition wieder an die Macht kommen. Auch die Linke steht heute faktisch hinter dem Slogan "Stoppt die Boote!", mit dem die Konservativen den letzten Urnengang für sich entschieden hatten.

Zwar kommt es immer mal wieder zu Protesten gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung, aber eine Mehrheit der Australier unterstützt den knallharten Kurs - nicht zuletzt jene, die einst selbst als Migranten ins Land gekommen waren. Sie sind überzeugt davon, dass der Zustrom illegaler Bootsflüchtlinge ein geordnetes Einwanderungsprogramm untergraben würde. Von den rund 250.000 Einwanderern, die Australien pro Jahr ins Land lässt, sind derzeit rund 13.000 Flüchtlinge, die meist über das UN-Flüchtlingshilfswerk in Lagern überall auf der Welt ausgewählt werden. Mehr, da sind sich die großen Parteien einig, verkraftet der soziale Frieden nicht.

Allerdings erlitt Australiens rigide Asylpolitik zuletzt auch Rückschläge. So dürfen Bootsflüchtlinge nicht mehr in einem Lager auf Papua-Neuguinea untergebracht werden. Das entschied Ende April das oberste Gericht des pazifischen Inselstaates. Die Unterbringung auf der Insel Manus verstoße gegen das verfassungsmäßig garantierte Recht auf persönliche Freiheit, begründeten die fünf Richter ihr Urteil. Seither hat ein Geschacher um das Schicksal der rund 750 auf Manus Internierten eingesetzt. Premier Turnbull hat schon klar gemacht, dass keiner von ihnen je einen Fuß auf australischen Boden setzen darf, nicht einmal jene, deren Asylanträge anerkannt wurden. Ihnen stehe es frei, in Papua-Neuguinea zu bleiben, in ihre Heimat zurückzukehren oder nach Kambodscha zu gehen, mit dem Australien ein Umsiedlungsabkommen geschlossen hat.

Ohne Auffanglager außerhalb Australiens könnte die Abwehrstrategie der Regierung freilich langfristig ins Leere laufen. Australien betreibt Camps derzeit auch auf der Weihnachtsinsel oder im mikronesischen Nauru. Auch dort laufen seit einiger Zeit schwierige Verhandlungen über den Verbleib der dort untergebrachten Asylbewerber. Manche der Menschen sitzen schon seit mehr als zwei Jahren in den Lagern fest. Menschenrechtler kritisieren die schlimmen Zustände in den Camps scharf. Besonders auf Nauru kam es immer wieder zu Hungerstreiks, Selbstverstümmelungen oder Selbstmordversuchen unter den Asylbewerbern.

Immer wieder klagten Anwälte von Betroffenen gegen die Internierung. Im Februar urteilte Australiens höchstes Gericht jedoch, diese Praxis verstoße nicht gegen die Verfassung. Es folgte im Wesentlichen der Argumentation der Regierung: Durch deren abschreckende Asylpolitik kämen weniger Bootsflüchtlinge auf hoher See ums Leben.

(RP)
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