Düsseldorf Teures Urteil für Flüchtlingsbürgen

Düsseldorf · Angehörige und private Helfer, die syrischen Flüchtlingen per Bürgschaft die Einreise ermöglicht haben, haften länger als gedacht. Betroffen sind Tausende Bürgen, darunter auch Kirchengemeinden.

Wer sich zur Übernahme der Lebenshaltungskosten von Flüchtlingen verpflichtet hat, muss selbst dann noch haften, wenn die Flüchtlinge ihr Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen haben. Ein neues Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes (Az.: 22 K 7814/15), gegen das noch Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zulässig ist, bedeutet für mehrere Tausend private Flüchtlingshelfer in Deutschland ein nur schwer kalkulierbares Kostenrisiko.

Als der Krieg in Syrien sich Mitte 2013 zuspitzte, legten alle Bundesländer mit Ausnahme Bayerns zusätzliche Notprogramme auf. Im Rahmen sogenannter Landeskontingentlösungen durften Angehörige und andere Helfer Flüchtlinge nach Deutschland holen, wenn sie sich bereit erklärten, weitgehend für deren Kosten aufzukommen. Die meisten dieser Notprogramme sind inzwischen ausgelaufen.

Im konkreten Fall hatte ein in Deutschland lebender Angehöriger sich verpflichtet, den Lebensunterhalt für drei syrische Verwandte zu übernehmen, um ihnen die schnelle Flucht aus Syrien zu ermöglichen. Die Asylanträge der Familie wurden später genehmigt, alle drei erhielten eine Aufenthaltserlaubnis. Danach zahlte das Jobcenter Mönchengladbach ihnen Hartz IV, verlangte das Geld aber später vom Bürgen zurück - rund 8800 Euro für den Zeitraum von Februar bis August 2015.

Das Gericht befand, dass der ursprüngliche Grund des Aufenthalts der Flüchtlingsfamilie immer noch der Bürgerkrieg sei. Die Anerkennung als Flüchtling ändere daran nichts. Deshalb habe sich auch nichts an der Verpflichtung des Bürgen geändert. Die Richter machten aber auch deutlich, dass derartige Verpflichtungserklärungen nicht ewig gelten, sondern zunächst nur für die Dauer der auf zwei Jahre befristeten Aufenthaltserlaubnis. Was in diesem Zusammenhang "zunächst" bedeutet, ist unklar.

Nach Auskunft des Bundesamtes für Flüchtlinge (Bamf) wurden im Rahmen der Kontingentprogramme bundesweit 22.000 Visa erteilt. Nach Schätzungen des Flüchtlingsrates NRW kamen 2600 dieser Flüchtlinge nach Nordrhein-Westfalen. Bamf und NRW-Innenministerium konnten gestern jedoch nicht sagen, wie viele dieser Flüchtlinge Sozialleistungen beziehen und wie viele Bürgen folglich potenziell von dem Urteil betroffen sind. Eine Sprecherin des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes sagte: "Wir rechnen mit einer Klagewelle, weil viele Jobcenter nun Geld zurückverlangen werden."

"Alle dachten, dass die Bürgschaft mit dem Ende des Asylverfahrens ausläuft", sagte Birgit Naujoks, Vorsitzende des Flüchtlingsrats. Mit dem positiven Abschluss des Asylverfahrens seien die Flüchtlinge offiziell als "individuell Verfolgte" anerkannt und hätten damit einen neuen rechtlichen Status. Mit diesem staatlichen Akt entfällt aus ihrer Sicht die Grundlage der privaten Bürgschaft, und die Verantwortung geht auf den Staat über. "Deshalb hoffe ich, dass das Urteil noch gekippt wird", so Naujoks.

Auch eine evangelische Kirchengemeinde in Gütersloh bürgt derzeit für knapp ein Dutzend Flüchtlinge. Der Leiter des Gemeindearbeitskreises Asyl, Ernst Klinke, wurde gestern von dem Urteil überrascht. "Wir haben die Verpflichtungserklärungen abgegeben, weil wir Menschen in Sicherheit bringen wollten, die in Syrien in Lebensgefahr waren", so Klinke. Seine Gemeinde sei entsprechend der damals "unbestrittenen Rechtsauffassung" davon ausgegangen, dass die Bürgschaften sich mit dem Abschluss der Asylverfahren erledigen würden. Klinke: "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt."

(RP)
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