Lahore Taliban: "Unser Ziel waren Christen"

Lahore · In Lahore sprengt sich ein ehemaliger Koranlehrer neben Karussells in die Luft und reißt 72 Menschen, darunter35 Kinder, mit in den Tod. In Islamabad randalieren tausende religiöse Fanatiker.

Der Selbstmordattentäter hat sich mit zynischem Kalkül platziert - am Haupteingang, nur wenige Meter entfernt von einem Spielplatz. Es ist früher Abend und Lahores populärer Gulshan-e-Iqbal-Park voller Familien, viele davon Christen, die den Ostersonntag mit einem Picknick feiern. Doch in Sekunden verwandeln 20 Kilogramm Sprengstoff die friedliche Szenerie in ein Schlachtfeld. Augenzeugen berichten von Blutlachen, von abgerissenen Armen, Beinen und Köpfen. Mindestens 72 Menschen sterben, darunter 29 Kinder. 233 Menschen werden verletzt.

Einer der schlimmsten Anschläge seit Langem hat an Ostern Pakistans zweitgrößte Stadt Lahore erschüttert, die als Hochburg der christlichen Minderheit gilt. Als Täter wird der 28-jährige muslimische Religionslehrer Muhammad Yousaf Farid verdächtigt, dessen Ausweis man am Ort fand. Die Gruppe Jamaat-ul-Ahrar, eine besonders skrupellose Fraktion der pakistanischen Taliban, bekannte sich zu dem Blutbad. "Wir haben das Attentat begangen, weil Christen unser Ziel sind", sagte ihr Sprecher Ehsanullah Ehsan. Man plane weitere Anschläge auch auf Schulen.

Das Land ist vor Entsetzen wie gelähmt. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Der 27-jährige Muhammad Zubair wollte gerade Karten für die Schaukeln kaufen, als die Bombe hochging. Er war mit seiner zwölfköpfigen Familie im Park, nur drei überlebten. "Ich sah meine Eltern, meine Schwestern und Verwandten sterben. Alle mit einem Schlag tot", erzählt er. Die Regierung rief eine dreitägige Trauerzeit aus. Premierminister Nawaz Sharif schwor, man werde erst ruhen, wenn der Terrorismus besiegt sei. Das Militär nahm noch am Montag eine Reihe von Verdächtigen fest. Zugleich wurde in Pakistan Kritik an der mangelnden Sicherheit laut. Die Regierung hätte wissen müssen, dass Pakistans 2,5 Millionen Christen an Ostern besonders gefährdet seien, und den Schutz erhöhen müssen. Bereits im März 2015 wurden 17 Christen bei einem Doppelanschlag auf zwei Kirchen in Lahore getötet. 2013 starben in Peschawar über 100 Gläubige bei einer Attacke auf eine Kirche.

Und es wird wohl nicht der letzte Terroranschlag gewesen sein: In Pakistan tobt ein blutiger Kampf um die Zukunft des Landes. Seitdem im Dezember 2014 bei einem Angriff auf eine Schule in Peschawar über 136 Kinder starben, führt das Militär einen aggressiven Feldzug gegen die Taliban in den Grenzprovinzen.

Als dann am 29. Februar diesen Jahres der Attentäter Mumtaz Qadri hingerichtet wurde, glaubten viele an eine Zeitenwende. Ein Signal dafür, dass Pakistans Führung nicht länger vor den religiösen Fanatikern im Volk parieren würde. Der Polizist Qadri hatte Anfang 2011 den liberalen Gouverneur Salman Taseer mit 28 Schüssen ermordet, weil dieser Pakistans mittelalterliches Blasphemiegesetz kritisiert hatte. Bis heute spaltet die Hinrichtung das Land: Bei seinem Begräbnis wurde Quadri wie ein Held gefeiert, Tausende Menschen gaben ihm das letzte Geleit. Auch am Sonntag kam es in Islamabad zu Straßenschlachten zwischen Soldaten und Qadri-Anhängern. Am Montag protestierten Tausende Muslime in Islamabads "Roter Zone", in der Parlament und Regierung liegen. Sie fordern, Qadri zum "Märtyrer" zu erklären und alle wegen Blasphemie verurteilten Häftlinge zu hängen.

Nach dem Anschlag in Lahore kamen aus aller Welt Beileidsbekundungen. Der Vatikan verurteilte den Angriff als Ausdruck "fanatischer Gewalt gegen die christliche Minderheit". "Ich bin am Boden zerstört durch das sinnlose Töten unschuldiger Menschen in Lahore", sprach die 18-jährige Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai in einem Tweet wohl vielen aus der Seele.

(RP)
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