Persönlich Sylvia Löhrmann . . . verabschiedet sich vom Landtag

Fast war es gestern so, als habe der Landtag ein schlechtes Gewissen. Sieben Jahre lang hat die damalige Opposition auf Sylvia Löhrmann (Grüne) eingedroschen. Ihre Schulpolitik gleiche "dem Blick in einen Altglascontainer - nichts als grüne Scherben", prägte FDP-Chef Christian Lindner ein geflügeltes Wort. Nach der desaströsen Niederlage bei der Landtagswahl am 14. Mai behandelte auch die eigene Partei ihre Spitzenkandidatin wie einen Problemfall. Sogar der Steuerzahlerbund mischte sich ein und warf der ehemaligen Lehrerin vor, aus finanziellen Gründen den Rücktritt zu verzögern. Was nicht stimmt. Löhrmann hat nach der Wahl sämtliche Ämter zum je frühestmöglichen Zeitpunkt niedergelegt.

Ihre Abschiedsrede widmete sie gestern der Forderung nach einer "Ideenwerkstatt für Demokratie" gegen Hass und Populismus. Die 60-Jährige zieht sich komplett aus der Landespolitik zurück. Abgesehen von einigen AfD-Zwischenrufern hörten die Abgeordneten aller Fraktionen auffallend respektvoll zu. Nach der Ansprache machte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sich auf den Weg von der Regierungsbank quer durch den Saal zu Löhrmanns Platz in den hinteren Reihen der Grünen und schüttelte ihre Hand - begleitet von einer leichten Verbeugung.

Mit ihrem Zögern im Streit um das Turbo-Abi und der überhasteten Inklusion hat Löhrmann schwere, vielleicht wahlentscheidende Fehler gemacht. Dennoch war sie nicht nur als Vize-Ministerpräsidentin prägend für Rot-Grün. Löhrmann war 2010 die entscheidende Initiatorin der rot-grünen Minderheitsregierung und blieb auch Schrittmacherin im Kabinett Kraft II. Den jahrzehntelangen Parteien-Streit um die Schulstruktur löste Löhrmann 2011 mit dem "Schulfrieden" auf. Ihr politisches Erbe ist umstritten. Unstrittig ist, dass der Landtag mit Löhrmann eine integre Persönlichkeit verliert, die glaubwürdig für ihre Ideale gekämpft hat. Thomas Reisener

(RP)
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