Düsseldorf Studie: Senioren arbeiten meist aus Lust, nicht aus Not

Düsseldorf · Schon heute sind 800 000 Rentner erwerbstätig. Viele Firmen stellen sich auf die älter werdende Belegschaft ein.

In einem Song von Udo Jürgens heißt es: "Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss." Diese Liedzeile könnte bald für das Erwerbsleben gelten. "Immer mehr Menschen werden in Zukunft zwischen 65 und 70 Jahren noch arbeiten", sagt Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Auch über 70-Jährige, die in Teilzeit arbeiten, werden laut Bellmann künftig keine Seltenheit sein.

Nach dem Willen von Union und SPD können Arbeitnehmer künftig nach 45 Beitragsjahren mit 63 ohne Abschläge in Rente gehen. Dabei fehlt es wegen der niedrigen Geburtenraten an Nachwuchs, die Zahl jüngerer Mitarbeiter nimmt stetig ab. Auf 5,5 Millionen taxiert das Zukunftsforschungsinstitut Prognos die Arbeitskräftelücke in Deutschland bis 2030. Immer mehr Unternehmen sind deshalb darauf angewiesen, ihre Mitarbeiter möglichst lange zu beschäftigen. Und sie tun es, wie Statistiken der Bundesagentur für Arbeit belegen: Waren im Jahr 2002 nur gut 2,6 Millionen der 55- bis 64-Jährigen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, lag diese Zahl Ende 2013 bei rund 4,7 Millionen.

Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW arbeiten schon heute fast 800 000 Rentner einfach weiter - also immerhin einer von 20. Im Jahr 2001 war diese Zahl erst halb so groß. Zwei Drittel der arbeitenden Rentner würden laut DIW auch ohne Job finanziell gut über die Runden kommen. Sie wollen nicht aus dem Erwerbsleben ausscheiden, weil sie sich in hohem Maße mit der Arbeit identifizieren.

Das hat auch Helmut Wallrafen-Dreisow, Geschäftsführer der Sozialholding Mönchengladbach, erkannt - und ein Ausbildungsprogramm für Ältere ins Leben gerufen. Drei Jahre dauert es, bis Bewerber ihr Diplom zum examinierten Altenpfleger in den Händen halten. Das Alter sei dabei kein Ausschlusskriterium, erklärt der Soziologe. Im Gegenteil: "Unsere älteren Auszubildenden sind außergewöhnlich motiviert. Die Gruppe der über 50-Jährigen hat zudem den niedrigsten Krankenstand überhaupt." Der Demografie-Forscher Axel Börsch-Supan fand in einer Langfrist-Befragung zudem heraus, dass Frührentner mental schneller altern und unzufriedener sind als jene, die später in Rente gehen.

Viele Firmen haben bereits Bündel von Maßnahmen für die älter werdende Belegschaft geschnürt. Beim Fahrzeugbauer BMW hat man 2007 das Projekt "Heute für morgen" aufgelegt. Es umfasst Gesundheitschecks, Pflichtseminare für Führungskräfte zum Thema "altersgerechtes Arbeiten" und ausgewogenes Kantinenessen. Beim Pharmakonzern Bayer gibt es für Schichtarbeiter ab 55 Jahren seit 2010 jährlich 20 vergütete Freischichten zusätzlich.

Die Wirtschaftsjournalistin Margaret Heckel ist davon überzeugt, dass an einem längeren Arbeitsleben kein Weg vorbeiführt: "Viele Menschen wollen länger arbeiten, und das sollte man ihnen ermöglichen", sagt die 1966 geborene Volkswirtin. Sie fordert flexible Rentenzugänge und Teilrenten. "Nur so können die Menschen selbst bestimmen, wann und wie sie in Rente gehen wollen."

(RP)
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