Genf Steinmeier will mit Islamisten verhandeln

Genf · Eigentlich möchte keine der Gruppen bei den Friedensgesprächen zu Syrien in Genf miteinander reden, aber die angespannte Situation zwingt alle Parteien an den Tisch.

Genf: Steinmeier will mit Islamisten verhandeln
Foto: Ferl

Bei den Vereinten Nationen ist alles bereit für einen Syrien-Friedensprozess: "Wir haben die technischen Vorbereitungen abgeschlossen, die Säle im Uno-Gebäude sind reserviert, die Gespräche können beginnen", sagte Uno-Sprecher Ahmad Fawzi am Freitag in Genf. Nur: Bis zuletzt war unklar, ob die Verhandlungen zur Beendigung des fast fünf Jahre dauernden Bürgerkriegs wie geplant heute tatsächlich beginnen. Oder ob "Genf III" verschoben werden muss - schlimmstenfalls auf unbestimmte Zeit.

US-Außenminister John Kerry hatte einen Termin Mitte dieser Woche genannt. Es solle aber keine fundamentale Verschiebung der Konferenz zwischen Syriens Assad-Regime und Oppositionellen geben. "Wir wollen keine Zeit verlieren", sagte Kerry. Denn der Krieg hat schon zu viel Leid verursacht: Mehr als 250.000 Menschen starben, Millionen sind auf der Flucht. Hunderttausende Syrer schlugen sich nach Europa durch - und lösten mit anderen Vertriebenen die größte Flüchtlingskrise auf dem Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg aus. "Eine politische Lösung für Syriens Bürgerkrieg würde auch den Andrang von Flüchtlingen nach Europa erheblich abbremsen", erklärte ein Uno-Diplomat. Bis Freitag aber brütete der Schirmherr der Gespräche, der Uno-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, über den Einladungen für Genf. Bis zuletzt war umstritten, wer teilnehmen soll. Insbesondere die Frage, wer die Opposition repräsentieren soll, ist knifflig.

Russland als enger Verbündeter des Regimes in Damaskus und die syrische Opposition streiten darum, welche Oppositionsvertreter bei den Gesprächen in der Schweiz am Tisch sitzen sollen. Russland will radikal-islamische Gruppen ausschließen und fordert zugleich, dass die syrische Kurden-Partei PYD an den Gesprächen teilnimmt. Dabei handelt es sich um einen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Ein von mehreren Oppositionsgruppen gebildetes Komitee will hingegen seine Vertreter selbst ernennen. Es verlangt zudem einen Stopp der syrischen und russischen Luftangriffe.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte Russland auf, einen größeren Beitrag zur Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens zu leisten als bisher. "Wenn ich die Sicherheitsinteressen Russlands im Blick auf islamistischen Terror richtig verstehe, hat es eher Probleme mit sunnitisch gegründeten Bestrebungen. Warum also sollten wir nicht mit Russland zusammen eine gemeinsame Strategie entwickeln können, um Gegensätze zwischen einer saudisch geführten sunnitischen Koalition und einer iranisch geführten schiitischen Koalition abzubauen?", sagte Schäuble.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, eine "technische Verzögerung" des Verhandlungsbeginns um wenige Tage wäre kein Beinbruch. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" für eine Beteiligung islamistischer Rebellengruppen aus: "Wo sollen denn nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg, extremer Gewalt und um sich greifender Verrohung die gemäßigten Kreise herkommen?" Man sei über den Moment hinaus, sich Verhandlungspartner aussuchen zu können.

Neben der Debatte, welche Oppositionspartei mit am Tisch sitzen soll, ist derweil klar, dass Vertreter des Diktators Baschar al Assad anreisen. Widerstand und das Regime sollen sich zunächst nicht in einem Raum begegnen - der Hass ist zu groß. Uno-Vermittler de Mistura will Botschaften zwischen den Feinden hin und her transportieren und gleichzeitig moderieren - eine Pendeldiplomatie.

Zusätzlich überschattet der gefährliche Konflikt Saudi-Arabiens mit dem Iran die Gespräche. Riad und Teheran gehören zu der Internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe. Diese Länder, unter anderem die USA, Russland und auch Deutschland, sollen die Gespräche begleiten. Die Unterstützungsgruppe verhandelt zwar nicht direkt mit. Schwergewichte wie die Amerikaner oder die Russen können aber die Syrer ins Gebet nehmen.

Die neuen Genfer Gespräche sind schon der dritte Versuch, um in der Schweizer Uno-Stadt einen Friedensprozess für Syrien zu starten.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort