Düsseldorf/Berlin SPD will keine Politiker mehr "vermieten"

Düsseldorf/Berlin · Bei den "Vorwärts-Gesprächen" standen Redner am Mikrofon, für deren Auftritt Sponsoren mehrere Tausend Euro zahlen mussten.

Nachdem bekanntgeworden war, dass es in der SPD die Möglichkeit gibt, Politiker für Gesprächsrunden zu "mieten", hat die Parteispitze gestern die Reißleine gezogen: Bundesschatzmeister Dietmar Nietan kündigte den Stopp dieser Praktiken an. Dergleichen werde es - ob mit oder ohne Sponsoring - nicht mehr geben. Zugleich unterstrich er, dass die Politiker, die an den umstrittenen Runden der Parteizeitung "Vorwärts" teilgenommen hätten, nicht darüber informiert worden seien, "wie diese Gespräche vermittelt wurden".

Und wie wurden sie vermittelt? Das TV-Magazin "Frontal 21" hatte am Dienstag berichtet, dass die SPD-Kommunikationsagentur "Network Media GmbH" (NWMD) Interessenten gegen Zahlung eines Betrages zwischen 3000 und 7000 Euro Zusammenkünfte mit führenden SPD-Politikern angeboten hatte. Wie berichtet, gehören zu den Prominenten, die an diesen "Vorwärts-Gesprächen" teilnahmen, unter anderen die SPD-Bundesminister Heiko Maas (Justiz), Barbara Hendricks (Umwelt), Andrea Nahles (Arbeit) und Manuela Schwesig (Familie). Der Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, wird ebenfalls genannt.

Auch die NRW-Minister Michael Groschek (Verkehr) und Garrelt Duin (Wirtschaft) haben an "Vorwärts-Gesprächen" teilgenommen. Beide betonen, sie hätten nichts von einer möglichen Finanzierung per Sponsoring gewusst. Duin sagte, auf organisatorische Fragen, wie zum Beispiel das Sponsoring für die Bewirtung aussehe, habe er keinen Einfluss gehabt; er habe allerdings auch keinen Grund gesehen, sich darum zu kümmern. Die Agentur NWMD sei ihm bis jetzt "persönlich gänzlich unbekannt" gewesen.

Die Agentur wirbt auf ihrer Homepage auch mit NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft. Sie hatte sich im sächsischen Wahlkampf in einem Radiospot für den SPD-Spitzenkandidaten Martin Dulig eingesetzt ("Glauben Sie mir, die Politik braucht mehr echte Typen"). Der Spot dauerte allerdings nur 16 Sekunden.

Nach Bekanntwerden der Geschäftspraktiken von NWMD wurde spekuliert, ob es sich hierbei um unzulässige, weil verdeckte Parteienfinanzierung handeln könnte. Die Agentur versicherte jedoch, dass sie kein Geld an ihre Muttergesellschaft, die SPD-eigene "Druck- und Verlagsgesellschaft" (DDVG), abgeführt habe. Dies hätten auch Wirtschaftsprüfer für den Zeitraum 2012 bis 2015 bestätigt. Aus der "Vorwärts-Gesprächsreihe" seien keine Gewinne entstanden, betont die Berliner Agentur.

Auch die Bundestagsverwaltung kann keinen Rechtsverstoß erkennen. Gleichwohl machte sich in der Partei umgehend Unbehagen bemerkbar. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl ging gestern als eine der ersten auf Distanz: "Das ist überhaupt nicht klug. Selbst wenn das rechtlich zulässig ist, darf es das nicht geben."

Eigentlich hätten es die Sozialdemokraten besser wissen müssen. Im Landtagswahlkampf 2010 hatten sie die NRW-CDU aufs Heftigste angegriffen, weil Ausstellern und Sponsoren Fototermine und Gespräche mit dem Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers auf Parteiveranstaltungen angeboten worden waren. Dafür sollten allerdings mehrere Tausend Euro gezahlt werden. "Rent-a-Rüttgers", ätzten damals die Genossen. Und Sigmar Gabriel, der 2009 die Parteiführung übernommen hatte, empörte sich: "Wir verkaufen keine Amtsträger und auch nicht die Partei an Leute, die genug Geld haben."

Den Vorwurf, dass sie es jahrelang genauso gemacht habe, lässt die SPD jetzt nicht gelten: Bei Rüttgers seien Einzelgespräche in Aussicht gestellt worden; bei ihnen hingegen habe es sich um Veranstaltungen mit bis zu 20 Gästen gehandelt, so die NWMD. Dennoch stichelte gestern die "Tageszeitung": "Rent a Sozi." Der CDU-Politiker Karl Josef Laumann wurde noch deutlicher: "Wenn parteieigene Unternehmen Auftritte von Politikern verkaufen, ist das eine Riesensauerei", sagte er unserer Redaktion. Die SPD müsse jetzt lückenlos aufklären, wohin und an wen das Geld geflossen sei.

Das fordert auch die Organisation Lobbycontrol. Die Lücken im Parteiengesetz müssten endlich geschlossen werden. Bislang sei Parteisponsoring nicht erfasst. Nötig seien jedoch Transparenz und klare Regeln: "Politik darf nicht käuflich sein oder auch nur den Anschein erwecken, käuflich zu sein."

(hüw)
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