Persönlich Sigmar Gabriel . . . positioniert sich neu in der SPD

Er ist ein Stehaufmännchen und ein begnadeter Wahlkämpfer. Nur in seiner Partei genießt der langjährige Vorsitzende Sigmar Gabriel (58) nicht allzu viel Vertrauen. Dabei spricht der SPD-Politiker aus, was viele sozialdemokratische Wähler denken. "Umwelt- und Klimaschutz waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze, Datenschutz war wichtiger als innere Sicherheit", schrieb der heutige Außenminister in einem Gastbeitrag für den "Spiegel".

Angesichts des mit 20,5 Prozent schlechtesten Wahlergebnisses in der Geschichte der SPD seit 1945 tritt der Sozialdemokrat eine Diskussion los, die seine Partei unbedingt führen muss. Gabriel nennt auch die Globalisierung und Digitalisierung als Phänomene, auf die seine Partei für viele Wählern noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden habe. Auch eine offene Debatte über umstrittene Begriffe wie "Heimat" und "Leitkultur" fordert der frühere Parteivorsitzende ein.

Der Sozialdemokrat zeigt erneut sein untrügliches Gespür für Wählerstimmungen. Ähnlich wie Parteifreund Gerhard Schröder hat Gabriel einen Draht zu den einfachen Menschen und ist stolz darauf. Auch in anderen Kreisen findet der eloquente Politiker Anklang.

Nur seine Partei kann ihm die Schnellschüsse und Wendungen nicht verzeihen, die er als Minister oder Parteichef bisweilen vollführte. Wiederholt hat er sich von Parteitagsbeschlüssen distanziert oder unabgestimmt Forderungen vorgetragen, die nicht auf Linie der SPD lagen.

Mit seinem Gastbeitrag für den "Spiegel" positioniert sich Gabriel neu in der SPD. Er spürt, dass der aktuelle, einst von ihm vorgeschlagene Parteivorsitzende Martin Schulz bedenklich schwächelt und die SPD in eine höchst ungewisse Zukunft führt. Dem hat er nun eine Alternative entgegengesetzt. Durchaus möglich, dass er zu einem Comeback ansetzt - das kann er ja besonders gut.

Martin Kessler

(RP)
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