Berlin/Magdeburg Druck von links auf Gabriel

Berlin/Magdeburg · Die SPD-Linke erfindet sich neu, um gegen Parteichef Sigmar Gabriel anzukommen. Initiator ist Stellvertreter Ralf Stegner. Eins von Gabriels wichtigsten Projekten ist in Gefahr.

Sigmar Gabriel: Druck von der SPD-Linken
Foto: dpa, jew fpt

Sigmar Gabriel darf in einer knappen Woche einen Rekord feiern: Dann ist er als Vorsitzender der SPD länger im Amt als jeder andere Genossen-Chef nach Willy Brandt. Doch ausgerechnet jetzt bekommt Gabriel aus seiner Partei so viel Gegenwind wie schon lange nicht mehr. Und der ist durchaus geeignet, ihm nicht nur das anstehende Jubiläum zu vermiesen.

Denn am vergangenen Wochenende erreichte dieser Gegenwind eine Stärke, mit der Gabriel vor einigen Monaten wohl noch nicht gerechnet hatte. In Magdeburg trafen sich knapp 200 Sozialdemokraten des linken Parteiflügels, um die "Plattform Neue Linke" zu gründen. Aufgerufen hatten dazu Gabriels Stellvertreter Ralf Stegner, der Chef der "Parlamentarischen Linken" in der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Sieling, und die Vorsitzende der Jusos, Johanna Uekermann.

Sie wollten gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen - einen Machtkampf im linken SPD-Flügel gegen den Club "Forum Demokratische Linke 21" (DL21) und dessen streitbare Vorsitzende Hilde Mattheis gewinnen und gleichzeitig der Parteispitze in Gestalt von Netzwerker-Mitglied Sigmar Gabriel ankündigen: Hüte dich, die große linke Kammer des SPD-Herzens ist wieder lebendig.

Ungewöhnlich lautstark hatte Carsten Sieling schon im Vorfeld des Mageburger Treffens eine Äußerung Gabriels zur Vermögensteuer kritisiert: Es sei ein Irrtum des Vorsitzenden, die Reichen-Abgabe (einen Eckpfeiler linker SPD-Politik) für tot zu erklären. Tatsächlich hatte Gabriel vor Arbeitgebern gesagt, er sehe keine Chance mehr für eine nationale Vermögensteuer. Doch nicht nur dafür bezog Gabriel dann auch in Magdeburg eine zweite Runde verbale Prügel: Die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta, boten ebenfalls Anlass, den Vorsitzenden vor angeblich allzu neoliberalen Positionen zu warnen - und gegen geplanten Investorenschutz zu protestieren.

Sigmar Gabriel selbst kommentierte die von Stegner und Sieling angeführte "Neue Linke" in seiner Partei nicht. Das erledigte Fraktionschef Thomas Oppermann für ihn, der den Magdeburger Vorgang als "Unfug" bezeichnete. Dennoch dürfte das Geschehen bei Gabriel zunehmend für Kopfschmerzen sorgen. Denn nun muss er erkennen, dass eines der wichtigsten Projekte seiner Amtszeit als SPD-Vorsitzender zu scheitern droht: die innere Einigung seiner Partei.

Als Gabriel 2009 nach der traumatischen Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl zum Vorsitzenden gewählt wurde, fand er die Partei in einem desolaten Zustand vor. Depressiv, zerstritten in den Flügeln, die Agenda-Politik hatte intern ihren Tribut gekostet. Gabriel konnte zwar keine revolutionär andere SPD wollen: Die Sozialdemokraten trugen schon immer untereinander harte Debatten aus. Doch der neue Boss spürte, dass Kontinuität nötig war, um die SPD vom Abgrund wegzubewegen.

Und Gabriel war das - bis jetzt - sogar gelungen, weil er dem linken Flügel Raum gab. In der Opposition gegen Schwarz-Gelb rückte er die Partei nach links, verantwortete ein passendes Wahlprogramm mit entsprechenden Beschlüssen und verordnete selbst dem ehemaligen Finanzminister und Überraschungs-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ein linkes Profil im Wahlkampf.

Doch nach der Wahl 2013 und der damit verbundenen Rückkehr in die Regierungsverantwortung änderte Gabriel den Ton gegenüber dem linken Flügel. Im Sommer verkündete er, die Sozialdemokratie dürfe sich "nicht nur als Betriebsrat der Nation" verstehen. Als Wirtschaftsminister, Vizekanzler und Manager der Energiewende will er das Wirtschaftsprofil der SPD stärken, um etwa im Lager der Ex-Bundestagspartei FDP Stimmen zu sammeln. Immerhin muss die SPD bis zur nächsten Bundestagswahl 2017 bei der Wählerzustimmung endlich wieder in die Nähe von 30 Prozent und mehr kommen, um gegen die Union eine Regierung bilden zu können - erst recht, wenn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht noch einmal antreten sollte.

Hinzu kommt: Sollte Gabriel es sich nachhaltig mit dem linken Flügel verscherzen, muss er nicht nur den mühsam herbeigeführten inneren Parteifrieden begraben. Dann dürfte es für ihn auch sehr schwer werden, als nächster Kanzlerkandidat anzutreten.

(jd)
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