Goslar Senioren sollen Fahrtest absolvieren

Goslar · Verkehrsteilnehmer über 75 Jahre sind an Unfällen in drei von vier Fällen selbst schuld. Deswegen fordern jetzt Experten auf dem Verkehrsgerichtstag einen verbindlichen Test für Senioren.

Ein 88 Jahre alter Mann aus Dormagen verunglückt mit seinem Opel. Der Senior kommt von der Fahrbahn ab und fährt gegen einen Baum - ohne ersichtlichen Grund. Er wird schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht.

Für einen 82-jährigen Beifahrer in Wesel kommt jede Hilfe zu spät. Die 81 Jahre alte Fahrerin kann wie der Dormagener die Spur nicht mehr halten und prallt gegen eine Mauer. Der Mann stirbt im Krankenhaus.

Die Meldungen über Senioren und ihre Unglücke im Straßenverkehr mit zum Teil schweren Folgen häufen sich. Das haben auch die Experten unter anderem vom ADAC beobachtet und das Thema "Senioren am Steuer" beim 54. Verkehrsgerichtstag diskutiert, der gestern im niedersächsischen Goslar begann.

Der ADAC bietet bereits seit einigen Jahren einen freiwilligen Fahreignungs-Test an, unterstützt entsprechend den Vorstoß, dass Senioren getestet werden, ob von ihnen eine erhöhte Unfallgefahr ausgeht. Schließlich würden drei Viertel aller Unfälle, an denen Fahrer jenseits der 75 beteiligt sind, auch von ihnen ausgelöst. Die Unfallquote der über 75-Jährigen liegt inzwischen sogar höher als bei Fahranfängern zwischen 18 und 24 Jahren, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer.

Rückendeckung gibt es für den Vorschlag vom verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Stephan Kühn. "Am Ende der Testfahrt soll nicht der Entzug der Fahrerlaubnis stehen, sondern vielmehr, dass die Menschen mit Tipps von Fachleuten länger mobil bleiben können", sagte er den "Ruhr-Nachrichten". Die Junge Union (JU) verlangt sogar Untersuchungen ab dem 70. Lebensjahr. Seh-, Hör- und Reaktionsfähigkeit nähmen mit steigendem Alter deutlich ab, so der JU-Landeschef von Schleswig-Holstein, Tobias Loose. "Ich kann den Vorschlag verstehen", sagt der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm. "Und mancher, der sich für einen guten Fahrer hält, würde bei der Wiederholung der Fahrprüfung durchfallen." Für die rund 2000 Experten, die am Verkehrsgerichtstag teilnehmen, steht unter anderem auch die Dashcam auf der Agenda. Immer mehr Autofahrer installieren die kleinen Kameras an der Windschutzscheibe, um aufzuzeichnen, was auf dem Weg zur Arbeit, zum Sport oder zur Verabredung passiert. Aber dürfen die Videos bei einem Unfall als Beweise vorgelegt werden? Die Gerichte sind sich uneinig - die Experten wollen klare Regeln für den Umgang mit Dashcams. Auf einen Nenner ist man in der Arbeitsgruppe beim Verkehrsgerichtstag noch nicht gekommen. Während Datenschützer vor dem wahllosen Filmen und Veröffentlichen der Videos von Fußgängern, Radfahrern und Kennzeichen warnen, wollen Autoclubs, Versicherer und Polizei Wege finden, um strittige Sachverhalte mit den Mini-Kameras aufzuklären. Wenn es eine Chance gebe, das Geschehen objektiv zu erfassen, dürfe der Datenschutz nicht für absolut erklärt werden, findet Nehm.

Eine uneinheitliche Rechtsprechung für Promille-Sünder in Deutschland hat der Präsident des Verkehrsgerichtstages ebenfalls beklagt. Während in vielen Bundesländern alkoholauffällige Verkehrsteilnehmer erst bei einem Wert von 1,6 Promille zum "Idiotentest" müssen, liege die Grenze in anderen Ländern bei 1,1 Promille. Nehm fordert den Gesetzgeber auf, eine einheitliche Regelung zu finden.

(RP)
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