Mainz Schwieriger Endspurt im Wahlkampf

Mainz · CDU-Politikerin Julia Klöckner kann Menschen für sich gewinnen. Ob sie dieses Mal Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz wird?

Schlaf werde überbewertet. Julia Klöckner lacht, wenn sie auf die Tortur namens Wahlkampf angesprochen wird. Die CDU-Spitzenkandidatin, die im zweiten Anlauf nach 2011 endlich Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz werden will, lacht öffentlich sowieso sehr viel in diesen anstrengenden Tagen, bevor am 13. März der mit manchmal aufdringlicher Herzlichkeit umworbene Souverän sein Urteil fällt. Wer die "Gute-Laune-Prinzessin" ("Die Zeit"), genau beobachtet, denkt bei all ihrer zur Schau gestellten Fröhlichkeit an einen Operettentext: "Denn wie's da drinnen aussieht, geht niemand was an."

Der große Vorsprung der CDU vor der regierenden SPD mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer - geschmolzen im Winter der Zuwanderungs-Lawine. Nur noch zwei Prozentpunkte liegt Klöckners Partei vor der SPD, es waren einst fünfmal so viele. Die südpfälzische CDU-Abgeordnete Christine Schneider, die Klöckner auf der Bustour begleitet, sagt zu den bedrohlicher werdenden Umfragen, was Politiker immer dazu sagen: "Umfragen berühren mich nicht." Das ist natürlich geflunkert. Das Flüchtlingsthema ist für Klöckner 2016 so lästig, wie es 2011 die nach Deutschland schwappende Fukushima-Monsterwelle gewesen war. Klöckner ist deshalb mehr denn je bemüht, die aus CDU-Sicht jämmerliche Bilanz von Dreyers rot-grüner Regierung in der Schul-, Struktur- und Finanzpolitik sowie der Inneren Sicherheit in den Mittelpunkt zu drücken. "Aber was will man machen, die Leute fragen eben, was mit den Flüchtlingen wird." Das klingt ein wenig verzweifelt. So ähnlich antwortet Merkels auffallendste Stellvertreterin in der Bundespartei-Spitze auch auf die Frage, warum sie als angeblich treueste der Merkel-Treuen Ende Februar ausgerechnet Merkels härtesten Widersacher beim Flüchtlings-Kurs eine große Wahlkampfbühne bereitet habe. "Sollte ich Seehofer denn ausladen?" Auf die Idee, sich von Merkels riskantem Kurs zu distanzieren und das dann auch konsequent durchzuhalten - darauf ist sie offenbar nicht gekommen.

Allerdings, auch das gehört zur Wahlkampf-Realität: Angesprochen auf eine angebliche oder wirkliche Distanz zur Kanzlerin wird Klöckner von ihren Sympathisanten kaum. So meint sie womöglich, das Mainzer Weltkind in der Mitte zwischen "Angela" und " Horst" sei ihre Rolle. Wo immer Klöckner auftaucht, stellt sie sofort eine Nähe zu Menschen jeden Alters her. Sie ist viel kühler, als es manch einer vermutet. Aber Klöckner, die wie ein Frische-Produkt made in Rheinland-Pfalz ganz nah "bei de Leut" ist, wie es auch der Mainzer SPD-Regent Kurt Beck für sich reklamierte, hat eine natürliche Begabung im Umgang mit Menschen.

In der verbleibenden Zeit bis zum Wahltag will Klöckner erstens den knapper werdenden Vorsprung zur SPD halten und zweitens in der sogenannten TV-Elefantenrunde drei Tage vor der Abstimmung mit landespolitischer Kompetenz überzeugen. Hilfreich ist ihr dabei ein Faktencheck, der nach dem TV-Schlagabtausch mit der angriffslustigen SPD-Amtsinhaberin erstellt wurde. Tatsächlich, so Klöckner, habe Rheinland-Pfalz bundesweit die wenigsten Polizisten pro Einwohner sowie die schlechteste Versorgung mit schnellem Internet unter allen westdeutschen Flächenländern. Rot-Grün habe einerseits das Land übermäßig verschuldet, andererseits etwa beim Straßenbau einen Investitionsstau von einer Milliarde Euro zu verantworten.

Unterwegs in der Südpfalz spricht Klöckner ein Lehrer auf das Schulexperiment "Lernen nach Gehör" an. In 900 von 940 Grundschulen sollen die Kleinen neuerdings so mit der Rechtschreibung vertraut gemacht werden. Der Pädagoge berichtet, dass Eltern und Lehrern die Haare zu Berge stünden wegen dieses rot-grünen Unfugs. Bei Schneetreiben auf dem schönen Marktplatz von Neustadt an der Weinstraße und bei einer Abendveranstaltung in Schifferstadt greift die mögliche neue Ministerpräsidentin das Thema auf: "Wir brauchen weniger Unterrichtsausfall, und wir brauchen klare Rechtschreibregeln an unseren Grundschulen. Wir benötigen auch keine von Rot-Grün favorisierten Einheitsschulen, weil wir auch keine Einheitskinder haben."

Als die Wahlkämpferin beim ernsthaften Argumentieren plötzlich aus den Augenwinkeln zwei abseits stehende Polizeibeamte erspäht, schaltet sie um: "Kommen Sie näher, wir brauchen mehr von Ihnen." Ein Uniformierter lacht zurück und richtet beide Daumen nach oben. "Wieder 'nen Punkt gemacht", mag sich die Kandidatin denken. Ob sie in Kürze den entscheidenden Punkt ihrer Karriere machen wird, ob sie Regierungschefin einer CDU/SPD- Koalition oder gar eines Bündnisses von CDU/FDP/Grünen wird? Noch ist der Vorhang zu, noch sind alle Fragen offen. Vor 21 Jahren, vor der Wahl zur Weinkönigin, da sei sie aufgeregt gewesen, berichtet Klöckner. Und jetzt? "Da bin ich es auch ein wenig, wäre ja auch komisch, wenn nicht", sagt sie.

(mc)
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