Berlin Schulz und Nahles geraten wegen Personalpolitik unter Druck

Berlin · SPD-Chef Martin Schulz und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Andrea Nahles, hatten sich die Neuaufstellung ihrer Partei bisher völlig anders vorgestellt. Nun mussten sie wiederholt feststellen, dass sie in den eigenen Reihen keinesfalls frei schalten und walten können. Ihre ersten Personalentscheidungen sorgen hinter den Kulissen bereits für Machtkämpfe - und bergen das Risiko, am Ende mit einer ganz anderen als der einst gewünschten Mannschaft in die Oppositionsarbeit starten zu müssen.

Deutlich wird das anhand des jüngsten Beispiels. Am Donnerstag wurde publik, dass Martin Schulz am Montag im SPD-Präsidium den 39-jährigen Niedersachsen Lars Klingbeil als künftigen Generalsekretär vorschlagen will. Klingbeil wird in Fraktion und Partei zwar als geeigneter Kandidat beschrieben: Er gilt als verlässlich, durchsetzungsstark und kreativ. Klingbeil, das sagen viele Genossen, sei der richtige Mann für eine frische Kampagne im Jahr 2021, für die Einbindung junger Mitglieder, für eine andere Aufstellung des Willy-Brandt-Hauses. Doch er hat einen entscheidenden Nachteil: Dass er eben ein Mann ist.

Und prompt hagelte es Kritik von den Frauen in der SPD, die von einer paritätischen Besetzung der vier wichtigsten Ämter Partei- und Fraktionsvorsitz, Generalsekretär und Parlamentarischer Geschäftsführer ausgingen. Käme Klingbeil als General, wäre Nahles die einzige Frau in diesem Quartett, da ihr Carsten Schneider in der Fraktion als "PGF" zur Seite steht.

Schneider war es, der als Konservativer der Parteilinken Nahles ihre erste Niederlage bescherte, wollte sie doch mit Schulz den bisherigen Generalsekretär Hubertus Heil auf dem einflussreichen Fraktionsposten installieren. Ob Schulz seinen Favoriten Klingbeil nun ohne Gegenwehr durch Präsidium und Parteivorstand bekommt, ist unklar. Und selbst wenn könnte Klingbeil beim Parteitag im Dezember ein schlechtes Wahlergebnis erhalten, was wiederum auf Schulz zurückfallen könnte. Auch der Parteichef stellt sich zur Wahl, will dann im Amt bestätigt werden. So ist es auch für Klingbeil nicht ohne Risiko, als Intimus des bisher nur mäßig erfolgreichen Schulz zu gelten.

Schlechte Laune herrscht nun in der Fraktion. Schließlich steht am Montag die Wahl des Bundestagsvizepräsidenten an. Mit der bisherigen Amtsinhaberin Ulla Schmidt, Nahles' Vorgänger Thomas Oppermann und der Parteilinken Christine Lambrecht stehen gleich drei Genossen zur Wahl. Paradox ist, dass die Personalie Klingbeil dazu führen könnte, dass Oppermann - Nahles' Favorit - als Niedersachse und Mann das Nachsehen haben könnte. Viele Frauen dürften sich zwischen Schmidt und Lambrecht entscheiden, wobei erwartet wird, dass es für ein Ergebnis zwei Wahlgänge braucht. Nahles droht ein herber Dämpfer, sollte sie mit Oppermann zum zweiten Mal bei einer wichtigen Personalie scheitern.

Gewinner des Machtpokers ist aber bereits der niedersächsische Landesverband. Ministerpräsident Stephan Weil schlug Klingbeil vor, kann sich als Wahlgewinner künftig in wichtige Parteientscheidungen einklinken. Dabei muss er nicht auf einen Vizeposten drängen. Hinzu kommt, dass dem Vernehmen nach Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius in den Parteivorstand rücken soll. Was aus Hubertus Heil wird, ist indes ungewiss. Er könnte - ebenfalls als Niedersachse - auf ein Ministeramt im Land hoffen.

(jd)
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