Persönlich Sawsan Chebli . . . will Besuch von KZ-Gedenkorten

Schüler fahren zum Kolosseum nach Rom, auf die Prager Burg oder in die Berge zum Skifahren. Ein Besuch an einem KZ-Gedenkort steht in vielen Schulen, aber längst nicht in allen auf dem Plan. Das will die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) ändern. Die 39-Jährige fordert einen Pflicht-Besuch in einer KZ-Gedenkstätte für alle, auch Flüchtlinge. "Ich fände es sinnvoll, wenn jeder, der in diesem Land lebt, verpflichtet würde, eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen", sagte sie der "Bild am Sonntag". Dieser Besuch müsste auch Teil der Integrationskurse sein. Die gläubige Muslimin setzt sich seit Jahren gegen Antisemitismus ein. Die Cheblis kamen 1970 als palästinensische Flüchtlinge nach Berlin. Fast 20 Jahre lebten sie in einem libanesischen Flüchtlingscamp. In Moabit wächst Sawsan (gesprochen: "Saussan") mit neun Geschwistern in einer Drei-Zimmer-Wohnung auf. Erst in der Grundschule lernt sie Deutsch, 1993 wird die Familie eingebürgert. Dabei hilft der Familie auch ein jüdischer Anwalt. Cheblis Vater ist Analphabet, ihre Mutter spricht nur Arabisch. Chebli wechselt die Schule, weil Lehrer meinen, ein "Flüchtlingsmädchen" gehöre nicht auf eine höhere Schule, sie macht Abitur und studiert Politikwissenschaft. "Politik hat das Schicksal meiner Eltern bestimmt", sagt sie. Chebli arbeitet im Bundestag, mischt sich ein, ist ehrgeizig. Ihren Glauben lebt sie. Sie betet, fastet, isst kein Schweinefleisch und trinkt keinen Alkohol. Nur ein Kopftuch trägt sie als einzige Frau in ihrer Familie nicht. Damit hätte sie keine Karriere gemacht, sagt sie.

Bekannt wird sie als Vize-Sprecherin von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der sie als "klug und weltgewandt" lobt. Heute ist sie als Staatssekretärin in der Hauptstadt auch für den interkulturellen Dialog zuständig. Dass es Antisemitismus bei Flüchtlingen gibt, ist ihr nicht verborgen geblieben. Akzeptieren will sie es nicht.

(RP)
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