Persönlich Roy Moore . . . ist Moralapostel unter Verdacht

Es ist ein Skandal wie aus dem Bilderbuch - gäbe es ihn nicht, man müsste ihn als Lehrstück erfinden. Der republikanische US-Senatskandidat Roy Moore (70), tiefreligiös und Verteidiger des Waffenrechts, soll sich in den 70er und 80er Jahren mit teils minderjährigen Mädchen getroffen und ihnen sexuelle Avancen gemacht haben. Das schreibt die "Washington Post" und beruft sich auf detaillierte Interviews, die vier Frauen der Zeitung gaben. Die jüngste soll 14 Jahre alt gewesen sein, als der damals 32-Jährige sie in sein Haus in Alabama eingeladen, das Mädchen und sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen und ihre Hand zu seinem Penis geführt haben soll. Als sie sich dagegen wehrte, habe Moore sie wieder nach Hause gefahren.

Für sein Kampagnenteam, das den erzkonservativen Ex-Richter im Dezember in den Senat bringen will, sind das Fake News. Auf Twitter verbreitete Moore, der sich dort und im Wahlkampf trotz seines Ruhestandes nach amerikanischer Sitte "Judge Roy Moore" (Richter Roy Moore) nennt, das Ganze sei eine Schmutzkampagne. Die "Mächte des Bösen" hätten es auf ihn abgesehen und wollten ihn zum Schweigen bringen.

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, drohen dem verheirateten, vierfachen Vater zehn Jahre Haft. In jedem Fall steht aus Sicht der Fachleute die für ihn bisher als sicher geltende Wahl in den Senat auf dem Spiel.

Das konservative Amerika entlarvt sich damit - und legt seine Prioritäten offen. Vietnam-Veteran Moore, der auf einer Wahlkampfveranstaltung mit einer Pistole herumfuchtelte und 2012 als Oberster Richter Alabamas entlassen wurde, weil er Kollegen anwies, die gesetzliche Homo-Ehe nicht anzuerkennen, wird vielleicht zu Fall gebracht, ehe sich die Vorwürfe bestätigen. Im Dezember könnte sich wieder zeigen, dass Schusswaffen-Massaker und politisch unterstützter Hass auf Minderheiten die US-Wähler weniger beunruhigen als mögliche Sexualverbrechen.

Oliver Burwig

(RP)
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