Persönlich Roland Jahn . . . gerät in einen Schwebezustand

Eigentlich genießt der Stasi-Unterlagenbeauftragte Roland Jahn bei Union wie SPD für seine Arbeit hohes Ansehen - da schien die Verlängerung seines Amtes nur eine Formsache zu sein: Am Mittwoch hätte das Kabinett auf Vorschlag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Empfehlung beschließen, der Bundestag dann so rechtzeitig entscheiden können, dass Jahn vor dem Ablauf der fünf Jahre Amtszeit am 15. März erneut gewählt worden wäre. Hätte. Die SPD verhinderte die Kabinettsbefassung, nun muss Grütters Jahn bitten, kommissarisch Chef zu bleiben. Der 62-Jährige hat nicht zu unterschätzenden Anteil am Niedergang der DDR. So hatte er als Journalist und ehemaliger Bürgerrechtler Möglichkeiten, über das Westfernsehen die Leipziger Großdemo vom 9. Oktober 1989 deutschlandweit bekannt zu machen - und so den Mut der Bürger zu verstärken. Ausgerechnet ein Schritt der Stasi hatte ihn in diese Schlüsselrolle gebracht, indem er gegen seinen Willen in einen Zug in den Westen gesperrt und auf diesem Weg ausgebürgert worden war.

Als neuer Chef der Stasi-Akten trennte er sich von ehemaligen Stasi-Leuten in seiner Behörde, um den Opfern eine Begegnung zu ersparen. Das trug ihm nicht nur Freunde ein. Wenn Jahn nun in einen Schwebezustand gerät, hat das auch mit Misstrauen innerhalb der Koalition zu tun. Noch arbeitet eine Expertenkommission an Vorschlägen für die künftige Organisation der Stasi-Akten. SPD-Politiker befürchten nach schlechten Erfahrungen mit der Union, dass sie Veränderungen nicht mehr durchsetzen können, wenn Jahn einmal gewählt ist. Dabei hatte der nie auf stur geschaltet, sondern sich selbst gegenüber einem Radikalumbau offen gezeigt. Doch bis die Entwürfe vorliegen, beraten und beschlossen sind, können noch Jahre vergehen. Die Koalition sollte nach einem Kompromiss suchen. Diesen Umgang hat Jahn nicht verdient.

Gregor Mayntz

(may-)
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