Düsseldorf Private Videoüberwachung boomt

Düsseldorf · Der NRW-Datenschutzbeauftragte Ulrich Lepper sieht in der rasant wachsenden Verbreitung von privaten Überwachungskameras in der Öffentlichkeit ine Gefahr für die Grundrechte der Bürger.

Die Zahl der Beschwerden von Bürgern, die sich von privaten Überwachungskameras belästigt fühlen, hat nach Angaben des NRW-Datenschutzbeauftragten Ulrich Lepper deutlich zugenommen. Nach 190 Eingaben im Jahr 2012 und über 300 im vergangenen Jahr lassen sich die bislang erfassten Vorfälle des laufenden Jahres auf 460 Beschwerden für 2014 hochrechnen. Lepper: "Ich bin überzeugt, dass ich nur die Spitze des Eisberges sehe." Die Behörde erfasse nur schriftliche Beschwerden. Viele Bürger wüssten zudem nicht, an wen sie sich überhaupt wenden könnten. Mitarbeiter seiner Behörde gehen von jährlich mehreren Tausend Überwachungs-Konflikten in NRW aus.

Hauseigentümer setzen Videotechnik zur Überwachung des Eingangsbereiches ein. Die Kameras filmen dabei oft auch Teile des Gehwegs. Häufige Anwendungsbeispiele sind auch Restaurants, Arzt-Wartezimmer, Tankstellen und Supermärkte. Die Verkaufszahlen bestätigen die rasante Verbreitung der Technik: Laut Bundesverband für Sicherheitstechnik ist der bundesweite Jahresumsatz mit Videoüberwachungstechnik von 376 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 423 Millionen Euro im vergangenen Jahr gewachsen - obwohl die Preise für die einzelnen Geräte im gleichen Zeitraum deutlich gefallen sind. Wetterfeste Überwachungskameras mit Nachtsichtfunktion gibt es bereits für unter 20 Euro.

Lepper verfolgt die Entwicklung "mit Besorgnis". Der Datenschutzbeauftragte warnt: "Videokameras können eine Gefahr für Grundrechte sein. Jeder hat das Recht, sich frei und unbeobachtet im öffentlichen Raum zu bewegen und selbst darüber zu bestimmen, wer etwas über ihn wissen soll." Der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch, der im vergangenen Jahr 7000 entsprechende Beschwerden eingesammelt hat, spricht von einer "zunehmenden Kontroll- und Überwachungswut der Deutschen".

Dass die private Observierungstechnik der Sicherheit dient, bezweifelt selbst die Polizei. "Oft kaufen die Bürger sich mit solchen Kameras nur das Gefühl von Sicherheit. Wir empfehlen: Mechanischer Schutz vor elektronischem Schutz", sagt ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA). Ein Querriegel vor der Eingangstür sei für einen Einbrecher eine ernsthafte Barriere. "Eine Videokamera ist bestenfalls abschreckend, weil sie der Polizei bei der Verfolgung hilft. Aber dann wurde die Straftat ja bereits begangen", so der LKA-Sprecher. Auch Lepper glaubt, dass mit den Kameras "oft ein falsches Sicherheitsgefühl verbunden" ist.

Der fraktionslose Landtagsabgeordnete Robert Stein fordert ein Melderegister für private Überwachungskameras: "Nur, wenn die einzelnen Standorte von privat betriebenen Überwachungskameras dokumentiert werden, kann sich die Politik ein Bild von dem Problem machen und Lösungen finden." Eine Kleine Anfrage, in der er die Landesregierung um Stellungnahme bittet, ließ diese weitgehend unbeantwortet. "Mangels Aufsichtsbefugnis gegenüber dem Landesdatenschutzbeauftragten" lägen keine Daten vor, heißt es in der Antwort der Landesregierung.

Lepper setzt auf Aufklärung. In wenigen Wochen will seine Behörde eine weiträumige Kampagne zum Thema "Videoüberwachung" starten. Im Manuskript einer noch unveröffentlichten Broschüre wird das Problem anhand konkreter Fallbeispiele dargestellt: Eine Frau, die auf den Internetbildern einer Kneipen-Webcam sieht, dass ihr Mann trinkt anstatt zur Arbeit geht. Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter überwachen und , Schrebergärtner, die im Internet auch das Kommen und Gehen in der Nachbarlaube verfolgen.

Eine Sonderform der Videoüberwachung ermöglichen ferngesteuerte Drohnen. Erst am vergangenen Freitag wurde in Niederbayern ein Strafverfahren gegen einen Spanner eröffnet. Nach Polizeiangaben steuerte der 62-Jährige in Landshut einen Mini-Hubschrauber in einen ansonsten uneinsehbaren Garten, in dem sich eine 47 Jahre alte Frau und ihr Freund nackt sonnten.

(RP)
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