Analyse Präsidenten-Koalition gesucht

Berlin · Wer im Februar als Nachfolger von Joachim Gauck Bundespräsident wird, ist auch und gerade eine Frage der Machtperspektive. Setzt Rot-Rot-Grün einen gemeinsamen Kandidaten durch? Oder wird es wieder ein Unabhängiger?

Analyse: Präsidenten-Koalition gesucht
Foto: dpa, RP

Die Wahl des Bundespräsidenten spitzt sich auf die Frage zu: Wem wird es gelingen, ein Zeichen von Macht und Souveränität im Bundestagswahljahr 2017 zu setzen? Kann SPD-Chef Sigmar Gabriel ein Linksbündnis aus Rot-Rot-Grün schmieden - oder gewinnt am Ende wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)? Während Gabriel im rot-rot-grünen Lager schon emsig telefoniert und Chancen einzelner Kandidaten auslotet, hat die CDU-Chefin die Kandidatensuche vorerst zurückgestellt. Die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern könnten die Zusammensetzung der Bundesversammlung am 12. Februar nächsten Jahres noch verändern.

Nach derzeitigen Berechnungen brächten SPD, Grüne und Linke zusammen zwischen 626 und 630 Wahlmänner und Wahlfrauen zusammen. 631 werden aber benötigt, um einen gemeinsamen Kandidaten schon im ersten oder zweiten Wahlgang durchzubringen. Erst beim dritten reicht die einfache Mehrheit. Nach aktueller Lage müsste Rot-Rot-Grün also das Risiko eingehen, mit einer Kampfkandidatur in den dritten Wahlgang zu ziehen. Selbst bei einer hauchdünnen Mehrheit in der Bundesversammlung kann es immer zum dritten Wahlgang kommen.

In allen drei Parteien laufen sich Befürworter dieses Linksbündnisses warm, das auch nach der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres den nächsten Bundeskanzler stellen könnte. Sieben Monate zuvor schon einmal Gestaltungskraft und Willen zur Zusammenarbeit gezeigt zu haben, könnte dieser Alternative zu Merkel richtig Schwung geben.

Unabhängig davon, ob die Wahl eines rot-rot-grünen Bundespräsidenten auch im Herbst 2017 in ein Linksbündnis auf Bundesebene mündet, wäre ein solcher Zusammenschluss in der Bundesversammlung ein Befreiungsschlag für die SPD und ihren Vorsitzenden. Endlich könnte Gabriel unter Beweis stellen, dass die Sozialdemokraten auch noch ohne Merkel etwas bewegen können.

Doch auch in der Union ist die Erwartung groß, dass Merkel zu Beginn des Wahljahres ihrerseits ein Signal christdemokratischer Gestaltungskraft setzt und einen eigenen Kandidaten durchsetzt. Dafür bräuchte sie jedoch die SPD oder die Grünen. Einer breiten Strömung innerhalb der CDU wäre ein schwarz-grüner Kandidat im Wahljahr besonders wichtig. Immer mehr Christdemokraten haben es satt, mit der SPD zu regieren, und sehen auch angesichts des Zuwachses an den politischen Rändern die Notwendigkeit, die große Koalition nicht zum Dauerzustand werden zu lassen. Doch die CSU sträubt sich entschieden gegen ein schwarz-grünes Signal. Wenn die Christsozialen schon mit einem Partner aus dem linken Lager regieren müssen, dann ist ihnen die SPD kulturell deutlich näher, als es die Grünen sind. Zudem wäre auch Schwarz-Grün eine Konstellation mit nur knapper Mehrheit in der Bundesversammlung, was dem Kandidaten einen dritten Wahlgang ohne Erfolgsgarantie bescheren könnte.

So gilt es in der Union nicht mehr als ausgeschlossen, dass Merkel die Chancen für einen SPD-Mann sondieren könnte. Sie selbst hält dem Vernehmen nach ohnehin viel von einem Präsidenten Frank-Walter Steinmeier. Mit dem derzeitigen Außenminister von der SPD könnte sie intern auch deutlich machen, dass sich damit die Optionen für ein siegreiches Linksbündnis erledigt hätten und die Union ohne Hypothek in das Wahljahr starten könnte.

Gegen Steinmeier spricht allerdings, dass die Kanzlerin ihrem Vize bereits im vertraulichen Gespräch mitteilte, im Wahljahr 2017 könne sie ihre Partei nicht dazu bewegen, einen aktiven sozialdemokratischen Politiker ins Präsidentenamt zu wählen.

Sollte Gabriel aber einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus seiner Partei aufbieten können, der oder die aktuell keine Ämter innehat, wäre eine großkoalitionäre Lösung denkbar. Für die SPD hätte diese Konstellation Licht und Schatten: Von einem eigenen Kandidaten würde ein Signal der Stärke ausgehen. Zugleich aber wäre dies auch ein Zeichen dafür, dass die Sozialdemokraten im Zweifel auch auf Bundesebene die so ungeliebte große Koalition fortsetzen könnten.

Aus Sicht der Union ist ein rot-schwarzer Bundespräsident ohnehin nur die zweitbeste Lösung. Im Idealfall findet die Union vielmehr eine Persönlichkeit, hinter der sich Union, SPD, Grüne und auch die FDP versammeln könnten. Der Vorteil einer solchen Konstellation aus Merkels Sicht: Es kann keine bösen Überraschungen geben, weil die Mehrheit steht. Zudem ließe sich in die Wahl eines solchen parteiübergreifenden Präsidenten auch kein Signal für die nächste Koalition auf Bundesebene hineininterpretieren - außer der positiven Botschaft, dass die gemäßigten Parteien der Mitte in Deutschland miteinander handlungsfähig sind.

In allen Parteien finden sich Befürworter einer solchen großen Lösung. Ein parteiübergreifender Kandidat, wie es auch der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck war, sei am besten geeignet, die von Spaltung bedrohte Gesellschaft zusammenzuhalten. Sogar in der Linkspartei finden sich Politiker, die so denken. Angesichts der mitunter aggressiven Stimmung im Land brauche man einen Mann oder ein Frau, der oder die Worte zu setzen weiß und den Mut hat, dies auch zu tun.

Sicher sind sich jedenfalls alle Beteiligten neben den Christdemokraten, dass Merkel den nächsten Bundespräsidenten nicht alleine aussuchen soll. Denn in der Vergangenheit hat sie mit den Kandidaten Horst Köhler (2004-2010) und Christian Wulff (2010-2012) kein glückliches Händchen gehabt.

(RP)
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