Politisches Erdbeben

Es gibt keine geborenen Volksparteien mehr. Die CDU schafft in ihren einstigen Hochburgen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg jeweils dürftige 32 und 27 Prozent. Die SPD wird im Südwest-Staat und Sachsen-Anhalt gar zur vierten Kraft. In Mainz siegt sie nur dank der Persönlichkeit der Regierungschefin Malu Dreyer, obwohl die Partei in Skandale wie den um den Nürburgring verwickelt war.

Ob die rechtspopulistische AfD sich auf Dauer etablieren kann, wird sich zeigen. Einstweilen trägt sie dazu bei, das politische System zu revolutionieren. Insofern ist es durchaus angemessen, von einem Erdbeben der traditionellen Parteienlandschaft zu sprechen.

Schließlich reicht es weder in Baden-Württemberg noch in Sachsen-Anhalt für das, was bisher für eine große Koalition gehalten wurde. Auch das wirft ein neues Licht auf unser politisches System. Noch in den 70er Jahren erreichten Union, SPD und FDP rund 95 Prozent der Wähler. Jetzt schaffen sie in Baden-Württemberg mit Ach und Krach nur eine Mehrheit von einem Sitz.

Entscheidend werden in Zukunft also nicht so sehr die klassischen Parteien sein, sondern Persönlichkeiten und Umbrüche. Zäsuren wie die Eurokrise oder das Flüchtlingsproblem werden Wahlen bestimmen und Ein-Thema-Parteien wie die AfD nach oben hieven. Zugleich kann es Persönlichkeiten wie eben Dreyer oder dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gelingen, Wahlen gegen den Trend ihrer Parteien für sich zu gewinnen. Das ist eine Herausforderung für die Demokratie, nicht ihr Ende.

(kes)
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