Karlsruhe/Berlin Numerus clausus verliert an Gewicht

Karlsruhe/Berlin · Die Vergabe von Studienplätzen in Medizin muss neu geregelt werden. Das Bundesverfassungsgericht kritisiert den Fokus auf die Abiturnote als Auswahlkriterium. Ärzte und Politiker begrüßen das Urteil.

Die Zulassung zum Medizinstudium muss reformiert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regeln zur Vergabe der Studienplätze gestern für teilweise verfassungswidrig erklärt (Az.: 1 BvL 3/14 und 4/14). Die Richter verlangen einen gerechteren Zugang zur Berufsausbildung. Dabei soll die Eignung eines Bewerbers für ein Studium im Vordergrund stehen. Die Abiturnote darf beim Numerus clausus (NC) nicht wie bisher der wichtigste Faktor sein. Vielmehr müssen auch "sozial-kommunikative und praktische Fähigkeiten" eine Rolle spielen, wie es in dem Urteil heißt. Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber die Anforderungen des Gerichts umsetzen - so lange gilt das bisherige Verfahren.

Zwei Bewerber hatten vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geklagt, weil ihnen ein Studienplatz in Medizin versagt worden war. Das Gericht hielt die Regeln für falsch und legte sie dem Verfassungsgericht vor. Karlsruhe hat nun ein verbindliches Urteil gesprochen. Die Entscheidung gilt für Studienplätze der Fächer Human- Tier- und Zahnmedizin sowie der Pharmazie.

Für das Wintersemester 2017/18 haben sich rund fünf Bewerber pro Studienplatz im Fach Humanmedizin beworben. Der bundesweite NC lag bei 1,0 bis 1,2. Die Plätze werden zu 20 Prozent auf die Bewerber mit den besten Abiturnoten verteilt, weitere 20 Prozent richten sich nach der Wartezeit, und die restlichen 60 Prozent vergeben die Hochschulen direkt über ein eigenes Auswahlverfahren. Hierbei liegt der Fokus oft ebenfalls auch auf der Abiturnote. In allen drei Bereichen sehen die Karlsruher Richter Änderungsbedarf. So darf künftig die Präferenz des Hochschulstandorts nicht mehr zum Ausschluss von Bewerbern führen. Außerdem muss die Dauer der Wartezeit begrenzt sein. Aktuell muss ein Bewerber mit einem schlechteren Abitur bis zu 15 Semester auf einen Platz warten.

Politiker, Ärzte und Universitäten reagierten positiv auf das Urteil. Johanna Wanka (CDU), geschäftsführende Bundesbildungsministerin, sieht jetzt einen schnellen Handlungsbedarf des Gesetzgebers. "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat grundlegende Bedeutung für die Zulassung zum Studium der Humanmedizin", sagte sie. Ähnlich äußerte sich das Wissenschaftsministerium in NRW.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärte, Bund und Länder hätten mit dem Masterplan "Medizinstudium 2020" bereits die Weichen dafür gestellt, dass bei der Bewerberauswahl künftig nicht nur sehr gute Noten verlangt, sondern auch andere für die Eignung wichtige Kriterien berücksichtigt würden, wie etwa soziale Fähigkeiten oder eine Tätigkeit im Rettungsdienst. Neben den Auswahlkriterien bei der Zulassung zum Medizinstudium müsse es aber auch darum gehen, die Zahl der Medizinstudienplätze zu erhöhen. Hubertus Heil, Fraktionsvize der SPD, sagte: "Das Urteil ist eine Ohrfeige für die CDU-Minister Gröhe und Wanka." Sie hätten die Zulassung frühzeitig reformieren können.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hält die Entscheidung dagegen für "genau das richtige Signal zur richtigen Zeit". Es sei eine gute Nachricht für viele hochmotivierte Menschen, denen der Zugang zum Medizinstudium bisher versperrt gewesen wäre. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, hält insbesondere die Begrenzung der Wartezeit für sinnvoll, um eine Lebensplanung von Studienbewerbern zu ermöglichen. Auch die Medizinische Fakultät der Uni Düsseldorf begrüßte die Entscheidung.

(jd / kd)
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