Düsseldorf NRW-Frauenförderung wackelt

Düsseldorf · Die Gewerkschaften der Polizei und der Finanzbeamten rechnen mit Hunderten von Klagen gegen die Frauenquote. Neben der Opposition wollen auch SPD-Fachpolitiker eine Änderung der Vorschriften.

Die rot-grüne Landesregierung in NRW hat den Widerstand gegen die verschärfte Frauenförderung in der Verwaltung des Landes offenbar unterschätzt. Im Umfeld der Staatskanzlei heißt es, Juristen prüften bereits Szenarien für den Fall, dass ein Verfassungsurteil die Vorgaben wieder kippt. Auch führende Sozialdemokraten distanzieren sich von der Reform.

Das neue Dienstrecht trat Anfang Juli in Kraft. Seither werden Frauen in den Ministerien und der Verwaltung des Landes auch dann bevorzugt befördert, wenn sie innerhalb einer vorgegebenen Bandbreite schlechter qualifiziert sind als Männer. Bis dahin wurden Männer lediglich bei gleicher Qualifikation nicht berücksichtigt.

Wissenschaftler, die Gewerkschaften der Polizei und der Finanzbeamten rechnen mit Hunderten von Männer-Klagen gegen die Reform. "Die Rechtsberatungen der Gewerkschaften laufen sich gerade warm", sagte der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler. "Ich habe in einem Gespräch mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vergeblich um eine Verschiebung der Reform gebeten", sagte Polizeigewerkschafter Arnold Plickert.

FDP und CDU halten die systematische Benachteiligung von Männern in diesem Umfang für verfassungswidrig. FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel forderte die CDU im Landtag auf, sich einer Verfassungsklage gegen die Reform anzuschließen. Die CDU will aber noch die ersten Urteile der privaten Klagewelle abwarten. "Wir klagen nur vor dem Verfassungsgericht, wenn wir wissen, dass wir auch gewinnen", sagt der personalpolitische Sprecher der Union im Landtag, Werner Lohn.

Stefan Huster, Verfassungsrechtler an der Ruhr-Universität Bochum, sieht "ein hohes verfassungsrechtliches Risiko in der Dienstrechtsreform". Auch er geht von vielen Klagen aus: "Für die Benachteiligten geht es um viel Geld. Und Beamte riskieren bei einer Klage gegen ihren Dienstherrn nicht viel."

Zweifel an dem neuen Dienstrecht hat nicht nur die Opposition. Selbst der kommunalpolitische Sprecher der SPD, Christian Dahm, kommt nach einer "Vielzahl von Gesprächen mit persönlich Betroffenen" zu dem Ergebnis, dass die Reform "zu erheblichen Verwerfungen und Ungerechtigkeiten führen könnte". In einer gemeinsamen Erklärung mit seinen Fraktionskollegen Dennis Maelzer und Ernst-Wilhelm Rahe begründeten die Sozialdemokraten ihre Ablehnung: "Gleichstellung darf nicht zu einer Benachteiligung des anderen Geschlechts führen." Einzelne männliche Bewerber würden "unverhältnismäßig lange auf Beförderungen warten müssen oder nicht mehr befördert werden können".

Öffentliche Kritik von Beamten an ihrem Dienstherrn ist äußerst selten. Umso erstaunlicher, dass erste Frauen aus dem Beamtenapparat gegen die Frauenförderung wettern. Ludgera Hoppmann, Kriminalkommissarin und seit 40 Jahren bei der Polizei in NRW, sagte: "Auch Kolleginnen, die sich vor den neuen Regelungen für Beförderungen qualifiziert haben, fühlen sich diskriminiert." Sie wollten nicht mit schlechter qualifizierten Kolleginnen in einen Topf geworfen werden. Der Frust über das neue Dienstrecht sei bei den männlichen Polizisten im Alltag deutlich zu sehen.

Die neuen Vorgaben treffen besonders das Finanz- und das Innenministerium, weil viele Führungspositionen zu besetzen sind. Ein Sprecher des Innenressorts verteidigte die Reform: "Frauen besetzen bei der Polizei acht Prozent der Führungsjobs." Der Anteil der Frauen im Polizeidienst beträgt 22 Prozent.

(tor)
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