Kabul Neuer Taliban-Chef aus der alten Garde

Kabul · Der Anführer der afghanischen Terrorgruppe gilt als Hardliner und respektierter Religionsgelehrter.

Die Taliban hatten es sichtlich eilig, den Chefposten wieder zu besetzen: Vier Tage nach dem Tod des Anführers Mullah Akhtar Mansur kürte ihre Spitze den bisherigen Vize Mullah Haibatullah Akhunzada zum Nachfolger. Der hochrangige Religionsgelehrte und Richter sei neuer "Führer der Gläubigen", erklärte ein Talibansprecher gestern. Damit wollte man offenbar Nachfolgekämpfe verhindern und die Bewegung wieder einen.

Ob das gelingt, ist fraglich. Gestern tauchte prompt eine Audiobotschaft auf, in der der neue Taliban-Chef Friedensgesprächen angeblich eine Absage erteilt. "Nein, wir werden an keinerlei wie auch immer gearteten Friedensgesprächen teilnehmen", heißt es in der Aufnahme, die laut Nachrichtenagentur Reuters verbreitet wurde. Der bekannte Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid nannte das Audio allerdings eine Fälschung. Die Verwirrung könnte ein Hinweis auf aufflammende Machtkämpfe sein.

Akhunzada, der zwischen 55 und 60 Jahre alt sein soll, hat zwar keine Kampferfahrung auf dem Schlachtfeld, gehört aber der alten Taliban-Gründergeneration an und genießt als religiöse Autorität und Richter hohen Respekt unter den Taliban. So zeichnete er für fast alle islamische Rechtsgutachten verantwortlich, die die blutigen Attacken der Taliban religiös rechtfertigten. Zudem war er ein Weggefährte des legendären Taliban-Chefs Mullah Omar, der ihn angeblich als "Lehrer" betitelte. Zu seinem ersten Stellvertreter wurde der Hardliner Sirajuddin Haqqani ernannt, der bereits unter Mansur die Militäroperationen leitete. Sein Netzwerk ist für seine brutalen Suizidanschläge gefürchtet. Die USA führen ihn auf ihrer Terroristenliste und ein Kopfgeld von 4,45 Millionen Euro ausgelobt. Ihm werden enge Bande zu Pakistans Geheimdienst ISI nachgesagt. Zweiter Vize wurde Mullah Jakub, der Sohn von Mullah Omar. Beide galten auch als Kandidaten für den Chefposten, waren aber umstritten.

Zugleich bestätigten die Taliban erstmals offiziell den Tod von Mansur, der am Samstag bei einem US-Drohnenanschlag getötet worden war. Es war das erste Mal, dass die USA einen hochrangigen Führer der afghanischen Taliban in der pakistanischen Provinz Belutschistan töteten. Seit Monaten bemühen sich Afghanistan, Pakistan, China und die USA vergeblich, die Taliban an den Verhandlungstisch zu holen.

Die USA begründeten die Tötung Mansurs damit, dass er Gespräche verweigert habe. Afghanistans Regierung drohte dem neuen Taliban-Chef, ihn werde das gleiche Schicksal ereilen, wenn er Gespräche ablehne. Die Strategie, die Taliban an den Verhandlungstisch zu bomben, könnte allerdings nach hinten losgehen. Experten fürchten, dass sie ihre Angriffe nun erst recht verstärken, um Mansur zu rächen. Gestern schlugen die Taliban bereits in Kabul zu und töteten bei einem Anschlag auf einen Bus elf Menschen.

(RP)
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