Analyse Netanjahu gerät in die politische Isolation

Tel · Die Politik des israelischen Regierungschefs verprellt wegen ihrer Kompromisslosigkeit im Nahost-Friedensprozess allmählich auch die letzten Verbündeten.

Aviv Seit zehn Jahren ist in Israel Benjamin Netanjahu als Regierungschef an der Macht. Der rechtskonservative und nationalistische Politiker versucht, dem heftigen Gegenwind im In- und Ausland Stand zu halten. Noch fällt er nicht, er gelangt aber auch nicht zu der Einsicht, dass es im sogenannten Friedensprozess mit den Palästinensern so nicht weitergehen kann.

In Berlin hat man vom israelischen Regierungschef - nicht nur laut "Spiegel" - "die Schnauze voll". Und auch in Washington ist der letzte Hoffnungsschimmer erloschen, dass man mit ihm (aber auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas) jemals irgendeinen Fortschritt bei der Konfliktlösung im Nahen Osten erzielen kann. Frankreich hat am Wochenende ein kühles Nein aus Jerusalem zu seiner geplanten Nahost-Initiative einstecken müssen. Nun wartet man gespannt auf die Reaktion aus Paris. Neu an der Lage ist, dass man angeblich inzwischen auch in Berlin darüber nachdenkt, eine Kursänderung gegenüber Jerusalem einzuschlagen.

Auch in Israel wächst die Überzeugung, dass Netanjahu sein Land nicht voranbringt, dass er es schlecht regiert und höchstens auf internen Druck hin reagiert, aber stets nur mit dem Ziel seiner Machterhaltung. Die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, ist immer weiter nach rechts gerückt. Das alles ist verbunden mit einem fürchterlichen, teils gewaltbereiten antiarabischen Rassismus.

Trotzdem ist heute erstmals eine deutliche Mehrheit mit Netanjahu unzufrieden. Doch es mangelt an einer Alternative zu ihm und an einer ernstzunehmenden Opposition.

Dass Netanjahu nach US-Präsident Obama jetzt auch Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande als Verbündete zu verlieren droht, wird ihn beunruhigen, mehr aber nicht. Unklar ist, wie es nach den US-Wahlen im Herbst weitergehen wird. Und was noch schlimmer für ihn sein dürfte: Die jungen Juden in den USA sind nicht mehr wie noch ihre Väter bereit, ihm den Rücken freizuhalten und seine Siedlungspolitik blind zu unterstützen.

Ganz im Gegenteil: Die Israel-Boykott-Bewegung verzeichnet an den Universitäten einen weit überdurchschnittlichen Zulauf jüdischer Studenten. Zwar behauptet das offizielle Israel, mit dem Boykott problemlos weiterleben zu können. Es bezeichnet ihn als rein antisemitische Bewegung. Doch in Wirklichkeit ist in den zuständigen Ministerien die Panik ausgebrochen.

(RP)
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