Berlin Nahles plant Untergrenze beim Rentenniveau

Berlin · Die SPD-Arbeitsministerin ist mit dem Gewerkschaftsbund einig, dass die gesetzliche Rente gestärkt werden muss. Doch Experten halten dem DGB Irreführung in seiner neuen Rentenkampagne vor.

Berlin: Nahles plant Untergrenze beim Rentenniveau
Foto: Ferl

Ein Besuch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist für Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) so etwas wie ein Heimspiel. Beim DGB-Rentenkongress gestern in Berlin gab es denn auch viel Einigkeit zwischen ihr und dem Gewerkschaftsbund in der Rentenpolitik. Ein ständig sinkendes Rentenniveau untergrabe das Vertrauen in die Rentenversicherung und deshalb "brauchen wir eine Haltelinie beim Rentenniveau", sagte die Ministerin und kam damit einer DGB-Forderung entgegen. Sie werde im November ein "Gesamtkonzept" vorlegen, das auch einen Plan enthalten soll, wie das Rentenniveau auf einem höheren Level als dem bisher geplanten gehalten werden kann. Allerdings wies sie auch darauf hin, dass hier "die Bäume nicht in den Himmel wachsen können".

Das Rentenniveau beschreibt das prozentuale Verhältnis einer Standardrente und dem Durchschnittseinkommen der Erwerbstätigen im selben Jahr. Gesetzlich vorgesehen ist, dass es von derzeit 48 auf bis zu 43 Prozent bis 2030 absinken kann, weil sich die Relation von Rentnern und Beitragszahlern erheblich verschlechtern wird. Nach 2030 könnte das Rentenniveau weiter auf unter 40 Prozent abnehmen. Der DGB will das verhindern und hat Anfang September eine Kampagne mit dem Ziel gestartet, das Sinken des Rentenniveaus sofort zu stoppen. Das Problem dabei: So etwas kostet Jahr für Jahr hohe Milliardenbeträge, die die Steuer- und Beitragszahler finanzieren müssen. Kritiker werfen dem DGB eine Kampagne zulasten jüngerer Generationen vor.

Die SPD bläst jedoch weitgehend ins gleiche Horn. Die bisher vorgesehene "Rutschbahn" beim Rentenniveau wolle auch sie nicht, sagte Nahles. Ihr "Gesamtkonzept" zur Rente werde auch Verbesserungen bei Erwerbsminderungs- und Betriebsrenten enthalten. Bei diesen erwarte sie in ihren Verhandlungen mit dem Finanzminister einen "Durchbruch in den nächsten Tagen". Vorgesehen ist unter anderem, die betriebliche Rente von Geringverdienern durch einen staatlichen Zuschuss aufzubessern.

Scharfe Kritik hat der DGB von Wissenschaftlern dafür einstecken müssen, dass er in einer Informationsbroschüre für seine Rentenkampagne mit fragwürdigen Modellrechnungen hantiert. "Eine Köchin mit 2250 Euro Monatslohn wird 2030 nach 40 Arbeitsjahren 820 Euro Rente bekommen. Würde die Köchin heute nach 40 Beitragsjahren in Rente gehen, wären es immer noch 890 Euro", heißt es etwa in der DGB-Broschüre. Da jeder dritte Beschäftigte weniger als 2500 Euro verdiene, drohe "in Zukunft Millionen Menschen eine Rente auf oder unter Hartz-IV-Niveau".

"Der DGB unterstellt, dass es bis 2030 keine Lohnerhöhungen gibt und dass die Renten, was gesetzlich ausgeschlossen ist, sogar nominal sinken können. Deshalb sind diese Modellrechnungen des DGB nicht haltbar", kritisierte der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Bert Rürup. Es sei "schon sehr merkwürdig, dass ausgerechnet die Gewerkschaften 14 Jahre Lohnstillstand annehmen", sagte auch der Münchener Renten-Fachmann Axel Börsch-Supan. Die DGB-Berechnungen "sind verantwortungslos, weil sie Angst schüren, anstatt das Vertrauen in die Rentenversicherung zu stärken", warnte er.

Zur Finanzierung des höheren Rentenniveaus schlägt der DGB vor, die Mütterrenten aus Steuermitteln zu finanzieren. Zudem sollen die Beitragssätze schrittweise angehoben und eine Demografie-Reserve gebildet werden. Dazu sagte Rürup: "Die vorgeschlagene Demografiereserve ist eine Mogelpackung." Das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern werde dauerhaft ansteigen. "Nur wenn dieser Anstieg eine vorübergehende Erscheinung wäre, könnte man ihn durch vorher gebildete Beitragsüberschüsse untertunneln." Der Altenquotient steige bis 2050 aber weiter kräftig an.

(mar)
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