München Türkei nennt Cem Özdemir "Terrorist"

München · Der Grünen-Politiker erhielt Polizeischutz nach einer Drohung der türkischen Delegation während der Münchner Sicherheitskonferenz. Ministerpräsident Yildirim sprach später von einer "Erfindung".

Münchner Sicherheitskonferenz 2018: Türkei nennt Cem Özdemir "Terrorist"
Foto: Felix Kästle/dpa

Cem Özdemir hat der Bundesregierung eine Mitschuld gegeben, dass er bei der Münchner Sicherheitskonferenz von drei Personenschützern begleitet werden musste. "In Berlin sollte man sich mal langsam fragen, ob das permanente Schönreden der Situation in Ankara nicht zu einem solchen Verhalten der türkischen Seite beiträgt", sagte Özdemir unserer Redaktion. "Es ist schon bizarr, wenn man einem Geiselnehmer wie Erdogan noch dankt, nachdem er eine seiner Geiseln nach einem Jahr freilässt und zu den gleichzeitig zu lebenslanger Haft verurteilten Journalisten nichts zu sagen hat", erläuterte der Ex-Grünen-Chef. Er bescheinigte der Polizei, in München einen "großartigen Job gemacht" zu haben.

Informationen vom Rande der Sicherheitskonferenz zufolge hatte sich die türkische Delegation nach einer zufälligen Begegnung mit Özdemir über die Anwesenheit eines "Terroristen" im selben Hotel beschwert. Özdemir erhielt daraufhin Polizeischutz, wurde wie ein hochgefährdeter Staatsgast auf allen seinen Wegen durch den Bayerischen Hof von drei Beamten abgeschirmt. Auf Nachfrage bezeichnete der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Beschwerde über einen "Terroristen" als "erfunden". Özdemir habe mit dem Vorgang nur "sichtbar" werden wollen. Die Polizei stufte die Gefährdungslage Özdemirs jedoch anders ein.

Die Sicherheitskonferenz wurde von Warnungen vor wachsenden Kriegsgefahren geprägt. Am letzten Tag des Treffens von über 500 Sicherheitsverantwortlichen aus der ganzen Welt präsentierte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf der Bühne ein Metallstück, das angeblich von einer über Israel abgeschossenen iranischen Drohne stammte. "Herr Sarif, erkennen Sie das?", fragte er den zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesenden iranischen Außenminister. "Es gehört Ihnen", fuhr Netanjahu fort. Er könne es mit einer Botschaft an die "Tyrannen in Teheran" zurücknehmen: "Testen Sie nicht unsere Entschlossenheit."

Der israelische Regierungschef kündigte an, jeden iranischen Militärstützpunkt in Syrien und im Libanon anzugreifen. Wenn nötig, werde Israel auch direkt gegen den Iran tätig werden. Netanjahu verglich den Atomvertrag mit dem Iran mit dem Münchner Abkommen von 1938. Damals hätten die Alliierten beschwichtigt, statt Hitler zu stoppen. Israel werde nun aber "böse Dinge im Keim ersticken".

Sarif wies die Beschuldigungen von Netanjahu als "Zirkus" zurück. Der Iran habe stets auf der "richtigen Seite der Geschichte" gestanden. Es seien die USA und Israel, die für die Konflikte in der Region verantwortlich seien. Sein Land strebe nicht nach einer Hegemonie, sondern wolle die gesamte Region stärken. Er bestätigte in München jedoch ebenfalls: "Wir stehen ganz nah vor einem eskalierenden Konflikt", und appellierte an die Staaten der Region, sich an die Seite Teherans zu stellen.

Saudi-Arabiens Außenminister Adel bin Ahmed al-Jubeir bekräftigte jedoch die Gegnerschaft seines Landes gegenüber Teheran: "Wir haben dem Iran unsere Freundschaft angeboten, aber Tod und Zerstörung bekommen", klagte der Vertreter Riads. Am Vortag hatte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) ebenfalls eine alarmierende Analyse der Weltlage geliefert. Im Nahen und Mittleren Osten bewege sich der Syrienkonflikt nach sechs blutigen Jahren in eine gefährliche Richtung, die "akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner bedeutet".

(may-)
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