Analyse Mit Chinas versprochener Öffnung ist es nicht weit her

Peking · Westliche Firmen klagen über ein sich verschlechterndes Umfeld, und auch die Ansiedelung von ausländischen Fachkräften bleibt weit hinter den Ankündigungen zurück. Wenn sich das Land weiter so abschottet, wird es nichts mit dem Umbau zur modernen Hightech-Wirtschaft.

Als die US-Handelskammer in China unlängst ihr Jahresgutachten zum Geschäftsklima 2016 veröffentlichte, versteckte sie eine Information ganz weit hinten: Immer mehr US-Firmen fühlen sich in der Volksrepublik nicht mehr willkommen. Sie klagen - ebenso wie europäische Unternehmen - über einen sich verschlechternden Marktzugang und bröckelnde Erlöse in einer langsamer wachsenden Wirtschaft, die unter Überkapazitäten leidet. Jede vierte US-Firma hat bereits Produktionen in andere Länder verlagert oder ist dabei, das zu tun.

Besonders alarmierend für Peking ist, dass sich rund 77 Prozent unter den knapp 500 befragten US-Unternehmen in China weniger willkommen fühlen als noch in den Vorjahren. Das gilt selbst für Branchen, um die Chinas Premier Li Keqiang besonders intensiv wirbt, wie etwa bei US-Technologiekonzernen und Forschungslabors.

Grund dafür sind laut der Umfrage der wachsende regulatorische Druck auf Auslandsunternehmen und Sorgen über neue Gesetzesentwürfe, die ausländische Firmen zwingen sollen, ihre Software preiszugeben. 80 Prozent stören sich an der strikten Internetzensur, die ihnen den Zugriff auf ausländische Websites erschwert und ihren Datentransfer verlangsamt.

Zwei Jahre nachdem Parteichef Xi Jinping Ende 2013 verkündet hatte, dass der Markt künftig auch in China die entscheidende Rolle spielen solle und das Land seine Türen noch weiter öffnen werde, steckt nicht nur die chinesische Wirtschaft im Reformstau. Auch mit der viel beschworenen Öffnung ist bisher kein Staat zu machen. Wang Huiyao, Gründer des einflussreichen "Zentrum für Globalisierung", stellte unlängst fest: "Wir sind ein Land mit einem der niedrigsten Ausländeranteile auf der Welt."

35 Jahre nach Beginn der Öffnungspolitik sind in China ansässige Ausländer statistisch eine zu vernachlässigende Größe. Besonders deutlich wird das im weltweiten Vergleich, fand der "Migrationsreport 2015" heraus. China steht heute mit weniger als 800.000 registrierten Ausländern als Schlusslicht da. Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,36 Milliarden Menschen beträgt sein Ausländeranteil nur 0,06 Prozent. Das ebenfalls menschenreiche Indien kommt mit 0,4 Prozent auf den siebenfachen Anteil, das Gros der Entwicklungs- und Schwellenländer auf 1,6 Prozent. In Industrieländern liegt der durchschnittliche Anteil bei 10,8 Prozent, in Deutschland etwa bei rund zehn Prozent der Bevölkerung. Der direkte Vergleich spricht Bände. So leben nur gut 20.000 Deutsche in China. In Deutschland dagegen zählte das Ausländerzentralregister Ende 2014 mehr als 110.000 chinesische Staatsbürger.

Doch seit Peking die Wende zu einer innovativen und kreativen Wirtschaft auf die Tagesordnung gesetzt hat, muss auch in China beim Thema Integration umgedacht werden. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit will nun ab Anfang März mit einem 20-Punkte-Programm die Einreise für Ausländer erleichtern. Vorerst aber nur als Pilotprojekt in Pekings Hightech-Distrikt Zhongguancun, wo eine eigene Visa-Stelle eingerichtet wird. Nach US-Vorbild hatte China schon 2003 die Erteilung langfristiger Aufenthaltsgenehmigungen ("Greencards") eingeführt. Doch komplizierte Anforderungen, langwierige Prüfungen der Anträge und Misstrauen machten das Programm zum Flop. Nicht einmal 10.000 "Greencards" wurden seither vergeben.

Vorerst bleibt es wohl dabei: China ist kein Einwanderungsland. Äußerlich sehen seine großen Städte zwar wie internationale Metropolen aus. Aber EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke spricht von einer "Riesenlücke zwischen Hardware und enttäuschender Software". Weltläufigkeit sei nur Tünche in wenigen Stadtteilen mit hoher Ausländerkonzentration. Mit der Internationalität steht es freilich auf beiden Seiten schlecht: So sprechen nur knapp 40 Prozent der Ausländer in Shanghai Alltagschinesisch.

(RP)
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