Unzufriedenheit mit der Union Merkels Kurs provoziert Wirtschaftsflügel

Berlin · Mittelstandspolitiker sind unzufrieden mit der programmatischen Unschärfe der Union. Für die Wahl 2017 brauche die Partei wieder eine eigene Erkennungsmelodie. Demografie, Digitalisierung und Leistungsanreize müssten in ihren Fokus rücken.

Unzufriedenheit mit der Union: Merkels Kurs provoziert Wirtschaftsflügel
Foto: dpa, car lre sab

Flüchtlinge und Euro-Krise - nach dem Eindruck von Carsten Linnemann, dem Chef der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU (MIT), beschäftigt sich auch seine Partei mit nichts anderem mehr. "Wir sprechen in der Koalition fast nur noch über Asylpolitik und Griechenland", klagt der CDU-Abgeordnete aus Paderborn. "Andere wichtige Themen werden überlagert oder ausgeblendet und fallen unter den Tisch. Die Union darf sich aber in der Tagespolitik nicht verlieren."

Linnemann - und mit ihm andere Vertreter des Wirtschaftsflügels wie der Chef der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach - vermissen etwas in der Union, und das ist nicht nur die eigene Handschrift im letzten Koalitionsvertrag mit der SPD. Ihnen fehlt es an Zukunftsvisionen in der Union, an einer eigenen "Erkennungsmelodie" für die kommende Bundestagswahl 2017, wie es Linnemann formuliert. Zur Halbzeit der zweiten großen Koalition unter Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel können die Wirtschaftspolitiker nach dem Mindestlohn und der Rente mit 63 weiterhin nicht erkennen, was die Union von der SPD unterscheidet.

Die Mittelstandspolitiker fordern daher eine neue Debatte darüber, die jetzt beginnen müsse. Und selbstverständlich sehen sie die Zukunft für ihre Partei darin, wieder stärker auf Leistungsanreize zu setzen. "Unsere Marschroute, die uns unterscheidet von der SPD, muss sein, dass wir die Leistungsträger stärker in den Blick nehmen", sagt Linnemann. CSU-Politiker Michelbach schaut dabei mehr auf die Steuern, CDU-Politiker Linnemann mehr auf Digitalisierung und Demografie. Zusammen legten die beiden in dieser Woche einen Zehn-Punkte-Forderungskatalog mit dem Titel "Deutschland kann mehr" vor.

Der Katalog listet Dinge auf, die an die Vor-Merkel-Ära erinnern - wie die Abschaffung des "Soli" bereits 2020, das Nein zur Substanzbesteuerung bei der Erbschaftsteuer oder die Einführung eines Hebesatzrechtes für die Kommunen bei der Einkommensteuer. Am vorliegenden Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Reform der Erbschaftsteuer regt Michelbach auf, dass er zu erheblichen Mehrbelastungen für Firmenerben führen werde: "Schäuble erhöht die Erbschaftsteuer für Betriebe mal eben um vier Milliarden Euro", klagt Michelbach.

Der Wunschkatalog der Wirtschaftspolitiker enthält auch Neueres, etwa die Forderung nach einem Digital-Minister, der die Aufgaben der Digitalisierung des Landes bei sich bündelt. Und er enthält Überraschendes, etwa den Ruf nach Wiedereinführung des Meisterzwangs für 51 Handwerksberufe. Dieser war unter Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) abgeschafft worden, damit sich in den Berufen nicht nur Meister, sondern auch andere selbstständig machen können.

Doch das hat nach Auffassung der CDU-Wirtschaftspolitiker dazu geführt, dass es heute viel weniger hochwertige Ausbildungsplätze gibt. "Wir regen uns alle auf über zu viel Akademisierung, aber keiner sagt, wie wir die duale Ausbildung konkret stärken können. Wir wollen, dass der Meisterbrief für die 51 Gewerke wieder eingeführt wird, damit in diesen Berufen endlich wieder ordentliche Ausbildung stattfindet", sagt der MIT-Vorsitzende.

Außerdem wollen die Politiker im November auf ihrem Mittelstandstag in Dresden beschließen, dass Beamte auch im hohen Alter noch im Dienst sein dürfen. "Die Pensionsaltersgrenze für Beamte gehört generell abgeschafft. Alle anderen Arbeitnehmer können theoretisch so lange arbeiten, wie sie möchten. Warum darf ein Bundesbeamter nicht bis 70 oder 75 arbeiten? Das ist ein Anachronismus, das passt nicht mehr in unsere Zeit", erklärt Linnemann.

Enttäuscht sind die Wirtschaftspolitiker über die mangelnde Durchsetzungskraft der Union in der Rentenpolitik. Sie hätten der Rente mit 63 nur zugestimmt, weil die Koalition im Gegenzug Maßnahmen für ein längeres Arbeiten vereinbaren wollte. Doch es sei fast nichts erreicht worden. Im CDU-Wahlprogramm solle daher stehen, dass für Beschäftigte ab 65 Jahren die Arbeitslosenbeiträge entfallen.

(mar)
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