Berlin Merkel: "Europa sollte seine Zusagen einhalten"

Berlin · Die Bundeskanzlerin formuliert ihre Kritik an der Türkei äußerst zurückhaltend - sie setzt weiter auf das Abkommen mit der Türkei

Bei ihrem Besuch in der Türkei will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan über den Stand des EU-Türkei-Abkommens und über den Umbau des türkischen Staatswesens hin zu einem autoritären System sprechen, wie sie in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) deutlich machte. Ihre Kritik am innenpolitischen Vorgehen Erdogans formulierte sie sehr vorsichtig: "Die Entscheidung des türkischen Parlaments zur Aufhebung der Immunität von Abgeordneten ist mit schwerwiegenden Folgen verbunden, gerade für kurdische Politiker. Das erfüllt mich mit großer Sorge."

Angesichts der Entwicklungen in der Türkei deutete sie auch an, dass manches länger dauern werde, etwa die Umsetzung der Reisefreiheit für Türken, weil die Voraussetzungen noch nicht erfüllt seien. Die EU hatte der Türkei für eine Visafreiheit ihrer Bürger mehr Meinungsfreiheit und eine Achtung der Menschenrechte zur Auflage gemacht. Aktuell läuft die Entwicklung in der Türkei in die entgegengesetzte Richtung.

Die Kanzlerin zeigte sich trotz aller Misstöne zwischen der EU und der Türkei um Grundrechte mit der bisherigen Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens zufrieden. "Ich konzentriere mich darauf, genau zu beobachten, wie die Türkei mit ihren Zusagen umgeht", sagte Merkel und attestierte den Türken Verlässlichkeit. "Ich sehe jedenfalls jeden Grund, dass Europa seinerseits seine Zusagen einhalten sollte", betonte die Kanzlerin.

Merkel war und ist in Europa die treibende Kraft für das EU-Türkei-Abkommen. Ihre Kritiker in der CSU und in den eigenen Reihen sowie aus den osteuropäischen Ländern halten die nationalen Grenzschließungen in Europa für die bessere Alternative. Merkel erteilte diesem Weg im Interview mit der "FAS" erneut eine Absage. Mit Blick auf Griechenland sagte sie: "Das kann kein europäisches Prinzip sein, dass sich einige Länder zusammentun, um zu versuchen, ein Problem gegen den ausdrücklichen Willen und damit zulasten eines anderen Mitgliedslands, noch dazu eines Schengen-Landes, zu lösen."

Die Bundeskanzlerin zeigte sich entschlossen, ihre Flüchtlingspolitik auch angesichts der steigenden Umfragewerte der AfD weiter zu verteidigen. Sie relativierte das Grundprinzip der Union, wonach es rechts neben ihr keine demokratisch legitimierte Kraft geben dürfe. Wenn dieser Satz so verstanden werden könne, "dass im Ergebnis Prinzipien relativiert oder gar aufgegeben werden müssten, damit Menschen sich nicht von der Union abwenden, Prinzipien, die für unser Land wie auch die Union konstitutiv sind, die den Kern unserer Überzeugungen ausmachen, dann gilt dieser Satz für mich nicht".

(qua)
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