Kolumne Hier in NRW Mehr Solidarität, Genossen!

Düsseldorf · Mit ihrem schnellen Rücktritt hätte Hannelore Kraft stilbildend sein können. Doch ihr Verhalten in den Tagen danach wirft Fragen auf. Und auch die Partei tut sich schwer mit ihrer langjährigen Ikone.

Hannelore Kraft – Ministerpräsidentin von NRW & SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 2017
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Das ist Hannelore Kraft

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Foto: dpa, ve

Es war ein würdiger Rücktritt. Als Hannelore Kraft keine 20 Minuten nach der historischen Wahlniederlage der SPD in Nordrhein-Westfalen von ihren Parteiämtern zurücktrat, bewies sie Größe. Sie übernahm damit die Verantwortung in einer Konsequenz, wie es auch in Demokratien nicht immer selbstverständlich ist. Selbst Kritiker in den eigenen Reihen rechneten ihr das hoch an. Es hätte der stilbildende Rückzug einer Politikerin werden können, die immerhin sieben Jahre lang die Geschicke Nordrhein-Westfalens bestimmte und die Bundespolitik zeitweise stark beeinflusste.

Doch Kraft zog sich eben nicht komplett zurück. Sie entschied zum einen, ihr Abgeordneten-Mandat im Landtag zu behalten. Zum anderen mischte sie dem Vernehmen nach hinter den Kulissen kräftig mit, als es in den Tagen nach der Wahl darum ging, einen Nachfolger an der Parteispitze zu finden. Damit stellte sich bei vielen in der Partei der Eindruck ein, sie könne eben doch nicht so einfach von der Macht lassen. Rätselhaft ist auch, warum sie sich dann wiederum aus den sozialen Netzwerken im Internet zurückzog und ihre Konten nicht einfach ruhen ließ, anstatt sie zu löschen.

Welche politische Rolle will die bisherige Ministerpräsidentin also künftig spielen? Strippenzieherin oder Hinterbänklerin?

Vollends irritierend aber ist, dass Kraft dem Landesparteitag am Wochenende fernblieb, der über ihren Nachfolger entschied und über den Neuanfang beriet. Sie ließ den Genossen lediglich herzliche Grüße ausrichten, beim nächsten Parteitag sei sie wieder dabei. Wenn es ihr wirklich um die Sache ginge, um die Lehren aus der Wahlniederlage und um die Zukunft der Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen, dann hätte sie den Genossen jetzt zumindest symbolisch zur Seite stehen müssen.

Das gilt allerdings umgekehrt auch für die Partei. Weder SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz noch der neue Landeschef Michael Groschek dankten der 56-Jährigen für ihre Verdienste. In all den Reden fiel ihr Name nicht ein einziges Mal in nennenswertem Zusammenhang. Dabei profitierte die Partei jahrelang eher von ihr als sie von der Partei. Die Popularität der SPD war in NRW in den vergangenen sieben Jahren fast immer größer als im Bund. Und noch im Februar hatten die Parteifreunde sie mit dem Traumergebnis von 100 Prozent zu ihrer Spitzenkandidatin gemacht.

Eine Partei, die glaubwürdig für Solidarität stehen will, sollte diesen Wert auch in den eigenen Reihen leben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(kib)
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