Berlin Mehr abgelehnte Asylanträge, weniger Abschiebungen

Berlin · Auch die Zahl der freiwilligen Ausreisen von erfolglosen Asylbewerbern hat im ersten Halbjahr deutlich abgenommen.

Bei der Bewältigung der Zuwanderung müssen die Behörden gegenläufige Trends verzeichnen: Es gibt viel mehr abgelehnte Asylbewerber, aber viel weniger, die das Land freiwillig oder unter Zwang wieder verlassen. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat sich die Zahl abgelehnter Asylanträge im ersten Halbjahr gegenüber dem des letzten Jahres von 70.437 auf 159.777 mehr als verdoppelt. Dagegen sank die Zahl der Abschiebungen um fast ein Zehntel von 13.743 auf 12.545. Auf fast die Hälfte sank die Zahl der mit Zuschüssen geförderten freiwilligen Rückkehrer von 30.553 auf 16.645.

Zwar ist der größte Anteil der Ausreisepflichtigen (226.457) weiterhin offiziell geduldet (159.678). Doch auf 66.779 trifft das nach jüngsten Zahlen des Innenministeriums nicht zu. Bei vielen scheitert die Abschiebung an fehlenden Papieren oder Reiseattesten. Unterm Strich jedenfalls hält die Abschiebepraxis mit den veränderten Zahlen nicht Schritt. Die von der Kanzlerin auf diesem Gebiet zu Beginn des Jahres angekündigte "nationale Kraftanstrengung" kommt nicht in Gang.

Nach absoluten Zahlen hat NRW mit 3168 Abgeschobenen die größten Anstrengungen bei erzwungenen Ausreisen unternommen, gefolgt von Baden-Württemberg (1888), Bayern (1596) und Berlin (1132). Setzt man diese Zahlen jedoch in ein Verhältnis zu den im jeweiligen Bundesland lebenden Menschen, die ausreisen müssen und nicht mehr geduldet werden, dann steht das Saarland mit 53,7 Prozent Abschiebungen an der Spitze, gefolgt von Thüringen (45,5), Mecklenburg-Vorpommern (43,8) und Rheinland-Pfalz (31,2). Hier liegt NRW auf dem viertletzten Platz mit 14,2 Prozent Abgeschobenen im Vergleich zu 22.356 Ausreisepflichtigen ohne Duldung. Nur Hessen (13,8), Sachsen-Anhalt (12,1) und Bremen (8,1) schieben prozentual noch weniger ab.

Wie aus einer unserer Redaktion vorliegenden Statistik des Innenministeriums weiter hervorgeht, sind die Abschiebungen zum Teil mit großem personellen Aufwand verbunden und haben allein für die Sicherheitsbegleitung den Bund in den ersten sechs Monaten bereits über 2,4 Millionen Euro gekostet. Auffällig war etwa ein Flug am 6. April, als 24 Bundesbeamte sieben Nigerianer begleiteten. Oft scheiterten die Abschiebungen auch im allerletzten Moment: 186 Mal, weil sich die Betroffenen handgreiflich wehrten, 61 Mal aus medizinischen Gründen, 113 Mal, weil Fluggesellschaft oder Pilot sich weigerten.

Nach dem schweren Bombenanschlag in Kabul wurde zwar Anfang Juni ein Abschiebestopp nach Afghanistan verhängt, doch auch davor waren lediglich 245 Afghanen per Flugzeug abgeschoben worden. Sie rangieren damit auf Platz elf der betroffenen Staatsangehörigen. Die meisten waren Albaner (2091), gefolgt von Kosovaren (1656), Serben (1333) und Mazedonen (876). Nach jahrelangen Problemen mit Ausweispapieren für Menschen aus dem Maghreb konnten im ersten Halbjahr auch 309 Marokkaner, 285 Algerier und 134 Tunesier ausgeflogen werden.

Unter insgesamt 72.375 Ausreisepflichtigen in NRW stellen die Serben mit 7949 die größte Nationalität, gefolgt von 7600 Albanern, 4977 Mazedonen, 4887 Kosovaren und 3114 Afghanen.

Nach Einschätzung der Union sind die Abschiebezahlen besser, als sie auf den ersten Blick vermuten lassen. Die höheren Zahlen im vergangenen Jahr seien auf die vielen "einfachen" Abschiebungen in die gut kooperierenden Balkanstaaten zurückzuführen. Jetzt gelängen aber auch immer mehr Rückführungen in Länder, die sich in der Vergangenheit geweigert hätten, erläuterte CSU-Innenexperte Stephan Mayer.

Daneben wächst die Zahl der Befürworter vorgelagerter Aufnahmezentren. So sprach sich nun auch Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius dafür aus, die Flüchtlinge nicht erst übers Mittelmeer nach Italien kommen zu lassen, sondern sie bereits in Libyen in Auffanglagern einer Vorprüfung zu unterziehen.

(may-)
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