Peking Makaberes Tauziehen um Dissident Liu Xiaobo

Peking · Der Friedensnobelpreisträger hat Leberkrebs. Peking lässt ihn nicht ausreisen, obwohl Ärzte eine Verlegung befürworten.

Ist der sterbenskranke Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo wirklich so schwach, dass er nicht mehr transportfähig ist, wie sein chinesisches Ärzteteam meint? Oder kann er nach Heidelberg ausgeflogen werden, um dort alles Menschenmögliche für seine medizinische Behandlung zu versuchen, wie zwei ausländische Experten glauben, die ihn untersuchen durften? Zwischen der chinesischen Führung, die ihren prominentesten politischen Häftling nicht ausreisen lassen will, und weltweiten Initiativen, die Peking zu einer humanitären Geste drängen, hat ein makaberes Tauziehen begonnen.

Wegen seiner im Oktober 2008 verfassten "Charta 08" zur Demokratisierung Chinas war Liu als "Staatsumstürzler" 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt, im Juni aber in ein Krankenhaus gebracht worden. Er leidet an Leberkrebs im Endstadium. Liu selber hat klar geäußert, was er will. Sie hofften auf Behandlung im Ausland, sagten der 61-Jährige und seine Frau Liu Xia am Freitag, als der Direktor der Heidelberger Universitäts-Chirurgie Markus Büchler und Facharzt Joseph Herman vom Anderson-Krebszentrum der Universität Texas den Schwerkranken aufsuchten. Das Pekinger Parteiblatt "Global Times" schrieb danach in seiner englischsprachigen Ausgabe, der Transport sei "nach Expertenmeinung zu risikoreich". In einem Video beantwortet Büchler dem Krankenhaus-Team die Frage, ob er es medizinisch hätte besser machen können als die Chinesen. Büchler verneint. Aber er meint wohl: nicht in China, denn er fügt an: "In Deutschland vielleicht." Es ist ein mehrdeutiger Nebensatz. Chinas Propaganda interpretiert ihn als Unterstützung für das Urteil, dass Liu nicht ins Ausland transferiert werden soll.

Tatsächlich glauben aber beide Ärzte, dass Liu transportiert werden kann. Sie bestätigten das am Wochenende in einer gemeinsamen Erklärung, die vom Anderson-Krebszentrum herausgegeben wurde. Ihr größtes Problem ist, dass ihnen die Zeit wegläuft. Lius Verlegung müsse so schnell wie möglich vonstattengehen. Beide Ärzte schreiben, dass es für seine Behandlung noch "zusätzliche Optionen" gibt. Sie nennen "intervenierende Maßnahmen und Strahlentherapie".

Peking schweigt zu dem Angebot. Die Zensur hat allen chinesischen Medien - mit Ausnahme der englischsprachigen Ausgabe der "Global Times" - verboten, über Liu zu berichten oder auch nur seinen Namen zu nennen. Nur das Krankenhaus Shenyang brachte gestern auf seiner Website ein knappes Bulletin. Es spricht von mehr Flüssigkeit, fallendem Blutdruck, akuter Nierenentzündung, Metastasen und inneren Blutungen. Das Expertenteam gehe von einem "kritischen Zustand" aus.

Ob Liu transportfähig ist, teilte das Krankenhaus nicht mit.

(RP)
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