Schwierige Kooperation mit Maghreb-Staaten Abschieben versagt oftmals im Praxis-Test

Berlin/Nauen · Abgelehnte Asylbewerber aus Nordafrika wieder in ihre Heimat zu bringen, gestaltet sich in der Praxis oft schwierig. Ein wirksames Rezept dagegen hat die Koalition bisher nicht.

Düsseldorf: Großrazzia im "Maghreb-Viertel"
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2016: Großrazzia im Düsseldorfer "Maghreb-Viertel"

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Foto: Gerhard Berger

Sigmar Gabriel hält sich nicht lange auf im Schneematsch vor dem Landgut. Für seine ersten Sätze vor Beginn der SPD-Vorstandsklausur in Nauen bei Berlin bittet der Parteichef und Vizekanzler in einen Backsteinbau. Und nur Minuten später verleiht er der Koalitionsdebatte über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen aus Nordafrika weiteren Schub. Das ist das eigentliche Thema dieser Tagung, abseits des offiziellen Programms. Es nütze nichts, donnert Gabriel, wenn ständig über Gesetzesverschärfungen geredet werde, in der Praxis die Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aber nicht funktionierten. Man brauche jetzt Rücknahmeabkommen mit nordafrikanischen Ländern wie Marokko, Algerien und Tunesien.

Aber Gabriel schildert auch, wie schwierig es sei, etwa den algerischen Premier, der gerade in Deutschland war, davon zu überzeugen, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen. "Die schmeißen ihren Pass weg, und Länder wie Algerien und Marokko sagen dann, das seien nicht ihre Bürger", schimpft der SPD-Chef. Die Union spreche dieses Problem viel zu wenig an.

Da blitzt er wieder auf, der neue Law-and-Order-Ansatz der SPD. Seit die Debatte um die Konsequenzen aus der Silvesternacht an Fahrt aufgenommen hat, stimmen führende Sozialdemokraten härtere Töne an. Und es spielt Gabriel, Fraktionschef Thomas Oppermann und Justizminister Heiko Maas in die Hände, dass sich kritische Vertreter des linken Parteiflügels wegen der Schelte gegen Gabriel beim Parteitag mit offener Kritik noch zurückhalten.

So sagt Maas zu einer Forderung der CSU, zwecks leichterer Abschiebungen Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, dass man darüber reden müsse. Und Innenpolitiker Oppermann sagt: "Flüchtlinge aus Algerien und Marokko haben so gut wie keine Chance, in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt zu werden." Deshalb sei er für eine schnelle Rückführung: "Ich fordere den Bundesinnenminister auf, dass er das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anweist, die Verfahren dieser Flüchtlinge mit höchster Priorität zu betreiben."

Auch der Innenminister ist wohl dafür. Medienberichten zufolge prüft Thomas de Maizière (CDU) einen solchen Vorgang bereits. So könnten schnellere Rückführungen erreicht werden, ohne Gesetze ändern zu müssen. Den Berichten zufolge wollen CDU und CSU nicht darauf warten, dass Algerien und Marokko zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Stattdessen wollten sie Asylbewerber aus diesen Ländern schon vorher in speziellen Rückführungseinrichtungen unterbringen. Gabriel wiegelt jedoch ab: Das sei doch längst beschlossen, die Union müsse das eigentlich wissen.

Und so kann nicht von Einigkeit in der Koalition gesprochen werden. Vielmehr heizt die SPD mittlerweile auch der Kanzlerin ein, ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik zu überdenken. Gabriel sagt, nur mit Willkommenskultur komme man nicht weiter. Und sein getreuer Ministerpräsident aus Niedersachsen, Stephan Weil, hat schon prophezeit, die Kanzlerin werde sich 2016 korrigieren müssen.

Die Grünen lehnen schärfere Maßnahmen gegen Migranten aus dem Maghreb entschieden ab. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte die Vorschläge als "hektischen Aktionismus". Stattdessen komme es darauf an, "die Verfahren insgesamt zu beschleunigen, damit gerade diejenigen, die nur eine geringe Chance auf Asyl haben, schnell wissen, woran sie sind". Es sei richtig, die offensichtlichen Probleme bei der Rückführung anzupacken: "Aber Sonderverfahren für Flüchtlinge aus Algerien und Marokko sind vorschnelle Symbolpolitik, die weiter Misstrauen schürt."

Gleichzeitig berichtet jedoch das Bundeskriminalamt, die Zahl an Straftaten in Flüchtlings- und Asylunterkünften nehme stark zu, auch wenn es sich um "relativ geringe Fallzahlen" handele. Eindeutig sei dabei, dass "Migranten vom Balkan oder aus Nordafrika, vor allem Marokkaner, Tunesier und Algerier", besonders auffielen, viel weniger hingegen Syrer und Iraker.

Das Problem besteht also weiter: Weder die Union noch die SPD hat bisher ein Rezept gefunden, wie wirksam gegen abgelehnte Asylbewerber oder kriminelle Ausländer vorzugehen ist. Werden die bestehenden Rückführungsabkommen nicht eingehalten, scheinen den deutschen Behörden bisher schlicht die Hände gebunden zu sein.

So berichtet der "Spiegel", dass die Innenministerien der Bundesländer sich in einem internen Papier über unkooperatives Handeln nordafrikanischer Staaten beklagten. Demnach scheitern Abschiebungen nach Nordafrika häufig an der Blockadehaltung der Maghreb-Staaten.

Zu Tunesien hätten die Beamten notiert: "Schon die Kontaktaufnahme mit der Botschaft ist äußerst schwierig. Bis auf wenige Einzelfälle gibt es keine Reaktion und keine Ergebnisse." Mehrfach habe sich auch die Bundesregierung beschwert; mit Kürzung der Entwicklungshilfe habe man aber noch nicht gedroht.

(RP)
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