Seehofer gegen Merkel Machtkampf wie in den 70ern

Berlin · Das Ringen zwischen Merkel und Seehofer erinnert an Kohl und Strauß vor 40 Jahren: machtpolitische Raffinesse gegen Lautstärke.

Im Vorstand der CSU schlugen in dieser Woche die Wellen hoch. "In der CDU gibt es viele, die es nicht gut meinen mit der CSU", flüsterte Parteichef Horst Seehofer seinen Leuten ein. Er forderte die Parteifreunde dazu auf, die Reihen zu schließen - gegen die Schwesterpartei in Berlin.

Die Fronten zwischen CDU und CSU sind inzwischen so verhärtet, dass auch Seehofers innerparteiliche Gegner die Direktive aus München gerne umsetzen. So behauptete der von Seehofer aufs Abstellgleis gesetzte frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), auch in der CDU habe Kanzlerin Merkel keine Mehrheit mehr für ihre Politik. "Das ist eine Unverschämtheit", entgegneten gleich mehrere CDU-Abgeordnete.

In der CDU, in der viele Jahre auch über die Kanzlerin gemeckert wurde, sind die Reihen schon länger geschlossen - genau genommen seit dem CSU-Parteitag im vergangenen Herbst. Damals führte Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne und vor laufenden Kameras in einer Art vor, die jeglichen Respekt vermissen ließ. Seitdem gilt das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Seehofer als zerrüttet.

Mittlerweile wird auch der professionelle Umgang schwieriger. Wochenlang rangen die Parteichefs miteinander, wo das für den 24. und 25. Juni geplante Treffen zur Aussprache der Parteispitzen stattfinden soll. Um den Ort zu finden, benötigten sie ein Vier-Augen-Gespräch. Potsdam soll es nun sein, wie unsere Redaktion aus Parteikreisen erfuhr. Früher konnten Merkel und Seehofer bei solchen Treffen ganze Gesetzespakete abräumen. Nun wird um Treffpunkte gestritten - wobei man sich über die Zielsetzung der Zusammenkunft ebenfalls noch nicht einig ist.

Der Zustand der Union heute erinnert manch älteren Politiker an die legendären Auseinandersetzungen zwischen CDU-Chef Helmut Kohl und CSU-Chef Franz Josef Strauß in den 70er und 80er Jahren. Die Gegenstände des Streits waren freilich andere, das Muster aber ähnelte den Verhältnissen heute: Den scheinbar überlegenen polternden und drohenden Auftritten des CSU-Chefs begegnet die CDU-Chefin mit machtpolitischer Raffinesse.

So war das einst auch bei Strauß und Kohl. "Strauß hat die Muskeln spielen lassen, aber er war kein starker Mann", sagte Kohl einmal rückblickend über den Widersacher. Möglicherweise wird Merkel eines Tages das Verhalten Seehofers ähnlich bilanzieren. Strauß' Weggefährten sagten später, Kohl sei der Härtere von beiden gewesen. Über das Verhältnis Merkel-Seehofer könnte einmal Ähnliches gesagt werden.

Jedenfalls ist bei der Kanzlerin keine Spur der Nachgiebigkeit früherer Tage mehr zu finden. Im Gegenteil: Ausgerechnet dem Klatsch-Magazin "Bunte" versicherte Merkel gerade, die Entscheidung vom 4. September, Tausende syrische Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, sei richtig gewesen. Seehofer hingegen wirft Merkel seit Monaten vor, dass dieser Schritt ein schwerer politischer Fehler gewesen sei.

"Es geht überhaupt nicht mehr um die Flüchtlingskrise, es geht nur noch ums Rechthaben", sagt ein CSU-Mann, der in beiden Teilen der Union "Wagenburgmentalität" feststellt. Die Lage sei festgefahren. In der CDU hingegen sieht man die Schuld für das miese Bild, das die Schwesterparteien in der Öffentlichkeit abgeben, vor allem bei der CSU. "Die Formulierung ,Streit zwischen Merkel und Seehofer' muss ich zurückweisen. Es sind Attacken gegen Merkel", sagte Wolfgang Schäuble in einem ZDF-Interview. Aus der CDU gebe es gegenüber der CSU nichts Vergleichbares. Nun weiß man, dass der Finanzminister seine Signale in der Öffentlichkeit stets gezielt setzt. Seine Anwürfe gegen die CSU dürften Seehofer schaden, denn Schäubles Autorität ist auch bei den CSU-Anhängern hoch. Der Finanzminister wird seine Kritik sehr grundsätzlich gemeint haben. Seine Äußerungen wurden am 13. Mai für eine Dokumentation über die Flüchtlingskanzlerin aufgezeichnet. Ausstrahlungstermin ist der 8. Juni.

CDU-Innenminister Thomas de Maizière, der längst nicht mit allen Schritten der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik einverstanden war, sieht die Dinge ähnlich wie Schäuble: "Ich finde, allmählich muss Schluss sein mit Interviews einer bestimmten Schärfe aus München, die spalten und nicht zusammenführen."

In München sieht man das naturgemäß anders. Bei der CSU-Vorstandssitzung in dieser Woche haben sich die Führungsmitglieder gegenseitig bestärkt mit dem Hinweis, dass aktuell die CSU mit ihren guten Umfragewerten die Union bundesweit über 30 Prozent halte.

Jahrelang habe Merkel die Union in den Umfragen nach oben gezogen. Doch diese Zeiten seien vorbei, befanden die Christsozialen. Mittlerweile gebe es einen Merkel-Malus.

(qua)
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