Berlin Linksextreme Gewalt in Berlin eskaliert

Berlin · Einen Dialog hält die Berliner Regierung nicht mehr für möglich. Am Wochenende waren 123 Polizisten bei einer Demo verletzt worden.

Die Krawallnacht von Berlin offenbart erneut, dass in der Hauptstadt das Problem mit den Hausbesetzern seit der Wendezeit nicht gelöst ist. Immer wenn eine Räumung ansteht oder vollzogen wird, kommt es zu Straßenschlachten, und Autos gehen in Flammen auf. Die Polizei spricht von den schlimmsten Krawallen seit fünf Jahren. Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Müller (SPD), wiegelte gestern ab: "Wir haben insgesamt keine unsichere Lage in unserer Stadt." Es gebe keine Solidarität mit Gewalttätern.

In der Nacht zu Samstag hatte eine Demonstration stattgefunden, die sich gegen die Gentrifizierung des Berliner Bezirks Friedrichshain richtete, in der es auch um die Räumung des besetzten Hauses an der Rigaer Straße 94 ging. 3500 Menschen demonstrierten, einige warfen Flaschen und Steine und skandierten: "Bullenschweine raus aus der Rigaer". Die Polizei meldete anschließend 123 verletzte Beamte.

Den Linksextremisten geht es vor allem darum, ihr Revier zu verteidigen und sich ihren Rückzugsraum nach Straftaten zu erhalten. Wie sie ihr Revier gegenüber der Staatsgewalt verteidigen, beschreibt der Berliner Verfassungsschutzbericht, der sich auf vier Seiten mit dem Phänomen der Rigaer Straße 94 befasst. Darin heißt es: "Das militante Agieren dient der Abschreckung, Einschüchterung und letztlich der Machtausübung im öffentlichen Raum." Es handele sich faktisch um einen andauernden, systematischen und gewalttätigen Versuch von Einschüchterung und der Oktroyierung eigener Politikvorstellungen, schreiben die Verfassungsschützer. Sie sehen dabei die rechtsstaatlichen Normen und Gesetze missachtet. Für den Verfassungsschutz ist die Sache klar: Die Rigaer Straße 94 sei ein Nest von Linksextremisten. Von den Bewohnern und ihren Sympathisanten gehe das größte Gewaltpotenzial der linksextremistischen Szene Berlins aus.

Allerdings hat die Berliner Regierung gegen dieses Gewaltpotenzial nie ernsthaft etwas unternommen. Vielmehr ließ man dem Linksextremismus seine Nische. So trauten sich im Januar Polizisten nicht, Täter, die einen Streifenpolizisten beim Knöllchen-Schreiben angegriffen hatten, in das besetzte Haus zu verfolgen. Die Beamten riefen 500 Mann Verstärkung und nahmen eine Razzia in der "Rigaer 94" vor.

Die Gewalt von Linksextremisten ist seit Jahrzehnten ein Thema in Berlin. Das Datum 1. Mai ist legendär. Dafür reisten auch immer wieder Linkautonome aus der ganzen Republik nach Berlin.

Im Kampf gegen linksextreme Gewalt war Berlin stets dann erfolgreich, wenn der Dialog zwischen Staaten und Linksextremen möglich war. Die traditionelle Gewalt zum 1. Mai konnte damit deutlich reduziert werden. Wenn der Dialog aber nicht funktioniert, fehlt den Behörden ein Plan B, wie sie effektiv gegen Gewalt vorgehen. Für die Rigaer Straße 94 hat der Hausbesitzer rechtsgültig einen Räumungsbescheid erwirkt. Er möchte in dem Haus Flüchtlingswohnungen schaffen. Wer im Recht ist, ist also eindeutig. All dies scheint den Linksextremisten egal zu sein.

In der Berliner Regierung hat nun die gegenseitige Schuldzuweisung begonnen, wer für die Eskalation verantwortlich ist. Während Innensenator Frank Henkel (CDU) wegen seiner Kompromisslosigkeit in der Kritik steht, wirft die CDU ihrem Koalitionspartner, der SPD, vor, sie wolle den Dialog mit den Gewalttätern suchen. Indem der Regierende Bürgermeister Müller Brandanschläge mit Gesprächsangeboten belohnte, habe er eine Gewaltspirale in Gang gesetzt. Tatsächlich hatte sich Müller auf der einschlägigen Internetseite der Linksautonomen "indymedia" eine Absage seines Verhandlungsangebots eingeholt. Man werde nicht mit Vertretern des Staats verhandeln.

Die stellvertretende Fraktionschefin der SPD im Bundestag, Eva Högl, selbst mit im Berliner Wahlkreis, rät zu einer Doppelstrategie: "Wir müssen mit der Szene wieder mehr ins Gespräch kommen. Wir brauchen grundsätzlich einen Plan und eine Perspektive, wie wir mit Projekten wie an der Rigaer Straße umgehen", sagt sie. Zugleich betont die Bundestagsabgeordnete: "Es kann aber keinen Dialog mit Gewalttätern geben, und wir können auch keinen Rechtsbruch und keine rechtsfreien Räume dulden."

Wie es mit dem teilweise geräumten Haus an der Rigaer Straße weitergeht, ist offen. Auch Müller distanzierte sich gestern von weiteren Gesprächen mit den Extremisten. Nach der Gewalteskalation sei nicht die Zeit für Runde Tische. In Berlin ist ein heißer Sommer zwischen Polizei und Autonomen zu befürchten.

(may-/qua)
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