Moskau Kurier der Kanzlerin

Moskau · Horst Seehofer wird im Kreml von Wladimir Putin als "lieber Freund" aus Bayern empfangen, seine politische Mission in Russland ist aber heikler, als es der Auftritt vermuten lässt. Am 2. Mai reist auch Angela Merkel nach Moskau.

Noch bevor CSU-Chef Horst Seehofer in Moskau gelandet ist, drücken neue schlechte Nachrichten die Stimmung: Im Kriegsgebiet Ost-Ukraine spitzt sich die Lage zu. Während die prorussischen Separatisten ihre Abspaltung vom ukrainischen Staatsgebiet vorantreiben, blockiert die prowestliche Führung in Kiew den Warenverkehr in den Donbass. Die Bundesregierung schlägt Alarm, denn so droht der seit Monaten ohnehin stockende Friedensprozess einen weiteren herben Rückschlag zu erleben. All das macht Seehofers mehr als eineinhalbstündiges Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht einfacher.

Der Wunsch des bayerischen Ministerpräsidenten, für ein Ende der Sanktionen zu werben, steht damit unter einem schlechten Stern. Das weiß auch Seehofer: "Die Situation ist praktisch wie vor einem Jahr, als ich zuletzt hier war, nur noch düsterer", sagt er und fügt mit Blick auf die Handelsschranken hinzu: "Wir müssen jetzt alle Kräfte unterstützen, dass es real zur Umsetzung kommt." Nur wie?

"Vermitteln, ständiger Dialog, Brücken bauen", umschreibt der CSU-Chef in Moskau sein Verständnis von Außenpolitik. Die Wirtschaftsvertreter in Seehofers Delegation sowie deutsche Diplomaten in Russland hoffen dabei auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich heute in Washington mit US-Präsident Donald Trump treffen will. Mit ihm könnte der Gesprächsfaden zwischen Russland und den USA wieder aufgenommen werden, der unter Trumps Vorgänger Barack Obama abgerissen war. Wann es zu einer Begegnung Putins mit Trump kommen wird, ist offen. Merkel hat indes reichlich Erfahrung mit dem Kremlchef. Seehofer erklärt, dass Merkels nächste Reise nach Moskau am 2. Mai stattfinden soll, zwei Jahre nach ihrem letzten Besuch im Kreml. So wird Seehofer zu einem "Kurier der Kanzlerin". Seehofer und insbesondere sein Vor-Vorgänger Edmund Stoiber pflegen ein enges Verhältnis zu Putin, wie es sonst wohl nur Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat. Beim Empfang im pastellgrünen Kremlsaal wird auf russischer Seite zwar kaum gelacht, trotzdem spricht Putin von seinen "lieben Freunden" aus Bayern. Anders als vor einem Jahr wird auch Delegationsmitglied Stoiber nicht umarmt, einen freundschaftlichen Handschlag lässt sich der Alt-Ministerpräsident aber nicht nehmen. Im Gegenzug spricht Seehofer von einer "Herzensangelegenheit" und kündigt trotz Sanktionen und Ukraine-Krise eine Vertiefung der Beziehungen an.

Was wie höfliches Geplänkel aussieht, hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Denn dieser freundschaftliche Draht der Bayern hilft der Bundesregierung beim Manövrieren zwischen Russland und den USA. Denn anders als oft behauptet ist Seehofers Moskaureise kein Alleingang, sondern mit Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) abgestimmt.

Russische Deutschland-Kenner sind überzeugt, dass es dem Kremlchef vor der Bundestagswahl wichtig ist, wichtigen Politikern den Puls zu fühlen. Seehofer sei für Putin nicht nur als Ministerpräsident eines Bundeslandes, sondern auch als Chef einer Partei aus der Bundesregierung interessant, meint Wladislaw Below, Politologe von der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Seehofer wird in Russland durchaus als Schwergewicht der deutschen Politik wahrgenommen."

Umso besser dürften in Putins Ohren Seehofers Worte klingen, der an seiner Meinung in Sachen Ukraine festhält: "Ich will die Überwindung der Sanktionen durch die Erfüllung des Minsker Abkommens. Das ist schwer, das haben wir heute wieder im Gespräch gemerkt."

(dpa)
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