Düsseldorf Krebsberatung blitzt bei Ministerin ab

Düsseldorf · Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) will die unabhängigen Selbsthilfeorganisationen nicht dauerhaft finanziell unterstützen. Zum heutigen Weltkrebstag legt das Statistische Bundesamt neue Zahlen über Erkrankungen und Todesfälle vor.

Die Sorge vor Krebs treibt viele Menschen um. Nach einer jüngsten Forsa-Untersuchung fürchten fast drei Viertel der Deutschen, an bösartigen Tumoren zu erkranken. Allein in Nordrhein-Westfalen wird jedes Jahr bei mehr als 80 000 Menschen Krebs diagnostiziert. Zum heutigen Weltkrebstag hat das Statistische Bundesamt die neuesten Zahlen veröffentlicht: Demnach starben im Jahr 2010 bundesweit 218 889 Menschen an Krebs, davon 118 202 Männer und 100 687 Frauen. Damit, so das Bundesamt, sei Krebs die Ursache für ein Viertel aller Todesfälle (858 768).

Bei den Männern war Lungen- und Bronchialkrebs die häufigste Krebsart mit Todesfolge; bei den Frauen steht Brustkrebs an oberster Stelle. 23 Prozent aller an Krebs verstorbenen Menschen waren jünger als 65 Jahre. Im vergangenen Jahr erlagen bundesweit 192 Kinder einem Krebsleiden.

Wer eine Krebs-Diagnose vom Arzt bekommt, empfinde dies zumeist als "Sturz aus der Wirklichkeit", sagt Helga Ebel (Krebsberatungsstelle Aachen). Für die Betroffenen seien in dieser Situation Orientierungshilfen von der Diagnose bis zur Nachsorge nötig. Genau dies sei das Ziel der 22 unabhängigen Krebsberatungsstellen, die sich zur Landesarbeitsgemeinschaft NRW zusammengeschlossen haben.

"Unabhängig" bedeute, dass man "nicht von Fremdinteressen geleitet" sei, also weder von Krankenhäusern, noch von Ärzten oder Pharma-Unternehmen finanziell abhänge, betont Helga Ebel. Das wiederum ermögliche es, mit den Ratsuchenden Klartext zu reden: "Wir sagen ganz offen, in welches Krankenhaus oder zu welchem Arzt die Krebspatienten besser nicht gehen sollten", so Ebel und die Epidemiologin Angela Spellsberg, Leiterin des Vereins Tumorzentrum Aachen und stellvertretende Vorsitzende der Aachener Beratungsstelle. Beide Frauen arbeiten ehrenamtlich für die Krebsberatung. Sie informieren über Leistungen der Kassen und Patientenrechte (Möglichkeit zur Zweitmeinung), erteilen Orientierungs- und Entscheidungshilfen zu Therapie und Nachsorgemöglichkeiten und vermitteln spezielle Versorgungs- und Hilfsangebote im häuslichen Umfeld. Ein zentrales Anliegen sei die Angstverminderung durch psychosoziale Beratung, betont Ebel. Die Zahl der Ratsuchenden beziffert sie auf mehrere Tausend pro Jahr. Allein in Aachen seien es über 2000. Für die Patientinnen und Patienten sind die Beratungen kostenfrei.

Die Finanzierung basiert auf kommunalen Zuwendungen, Eigenmitteln der Träger und Spenden. Doch in den meisten der 22 Beratungsstellen ist das Geld knapp. Für 13 Büros hat die Landesarbeitsgemeinschaft deswegen jetzt Zuschüsse bei NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) beantragt. Es geht um die Finanzierung je einer halben Personalstelle. Das Gesamtvolumen des Antrags beläuft sich auf 339 698 Euro.

Doch es sieht nicht danach aus, als würde das Land Unterstützung leisten. "Von Krebs betroffene Menschen finden in Nordrhein-Westfalen ein vielfältiges Angebot", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Dazu zählten auch die unabhängigen Krebsberatungsstellen, die zum Bereich der Selbsthilfeorganisationen gehörten. Das Land aber habe aufgrund der vielen unterschiedlichen Beratungsangebote "bisher auf eine institutionelle Förderung einzelner Beratungen zu bestimmten Krankheitsbildern verzichtet". Vor diesem Hintergrund hat die Landesarbeitsgemeinschaft Krebsberatungsstellen stets vergebens einen Antrag auf finanzielle Unterstützung gestellt. Lediglich eine befristete Projekthilfe wurde ihr vor einigen Jahren gewährt. Eine dauerhafte (institutionelle) Hilfe bekam sie jedoch nicht.

Das Gesundheitsministerium verweist darauf, dass auch in den großen Flächenländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen keine institutionelle Förderung von unabhängigen Krebsberatungsstellen gewährt werde. Gleichwohl gebe NRW viel Geld für die Krebsforschung, Früherkennung sowie Betreuung der Erkrankten aus. Dies gelte beispielsweise für das 2008 gegründete Centrum für Integrierte Onkologie Köln Bonn oder das Westdeutsche Tumorzentrum in Essen, das eines von elf Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe sei und den Betroffenen ein umfassendes Informations- und Beratungsprogramm biete.

Gleichwohl wollen Helga Ebel und ihre Mitstreiterinnen nicht aufgeben, sondern nachdrücklicher auf ihr Angebot aufmerksam machen. Ebel: "Wir haben in der Vergangenheit wohl zu wenig Öffentlichkeitsarbeit betrieben."

(RP)
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