Kolumne: Gesellschaftskunde Harmonie schlägt Hass

Düsseldorf · Negative Nachrichten erfahren viel Beachtung. Das ist auch sinnvoll, weil Menschen auf Gefahren reagieren müssen. Doch bei Diensten wie Twitter wird vor allem das geteilt: positive Botschaften, die Hoffnung vermitteln.

 Unsere Autorin Dorothee Krings.

Unsere Autorin Dorothee Krings.

Foto: Krings

Vielleicht liegt es daran, dass nun alles so winterlich-festlich geschmückt ist. Jedenfalls tritt die Wirklichkeit in diesen Wochen in noch einen raueren Kontrast, erscheinen einem viele Nachrichten, warnende Zustandsberichte, bedrohliche Ausblicke noch düsterer als sonst. Es gibt ja nicht nur Unglücke und akute Krisen, es gibt auch viele Entwicklungen mit negativer Tendenz. Und weil das meiste davon sich der Wirkmacht des Einzelnen entzieht, stellen sich mit den Bilanzen und Ausblicken zum Jahresende oft diese Ohnmachtsgefühle ein.

Doch dann veröffentlicht ein Kurznachrichtendienst wie Twitter jene Botschaften, die in diesem Jahr besonders oft geteilt wurden. Und da liegt nicht etwa der Gift und Galle twitternde US-Präsident Donald Trump an der Spitze, sondern sein Vorgänger Barack Obama mit einem Foto, das ihn mit Kleinkindern unterschiedlicher Hautfarbe zeigt. Dazu der Satz: "Keiner wird geboren und hasst andere Menschen wegen der Hautfarbe, der Herkunft oder Religion."Schon im Sommer war über dieses Nelson-Mandela-Zitat berichtet worden, weil es so viele Menschen bewegte und zum Weitergeben animierte.

Man kann das auf die geschickte Strategie der Obama-Berater zurückführen, die ein emotionales, witziges Bild mit einer zutiefst menschlichen Botschaft zu verknüpfen wussten. Doch es bleibt auch eine Tatsache, dass Menschen lieber diesen positiven Gedanken weitergaben als manchen Hass, manche Häme, die sie sonst erreichten.

Das hat sicher damit zu tun, dass der Satz des südafrikanischen Freiheitskämpfers eine simple Wahrheit mit hohem Utopiegehalt formuliert: Es gibt etwas, das alle eint und über so viele Missverständnisse und so viel Misstrauen hinweghelfen könnte - wir alle sind Menschen. Alle sind auf diese Erde geboren, müssen ihr Leben bewältigen, müssen sterben. Das klingt banal, aber es liegt darin die Ahnung, dass es vielleicht einmal eine Weltgesellschaft geben könnte - auf der Grundlage von Verbundenheit unter Menschen, so unterschiedlich sie auch sind.

Der Erfolg des Satzes lehrt aber auch, dass der Mensch womöglich weniger destruktiv ist als gedacht. Dass er in Wahrheit Sehnsucht hat nach Botschaften, auf die sich etwas bauen ließe. Natürlich verlangen solche Sätze nichts. Man kann sie teilen, ohne sich auf irgendetwas zu verpflichten. Doch sie sind dann Teil des Bewusstseins, ziehen wie eine Sternschnuppe durch die Gedankenwelt vieler Menschen - vergehen, waren aber da.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort