Interview mit Gerda Hasselfeldt (CSU) "Keine mildernden Umstände für Athen"

Berlin · Die CSU hat Nachverhandlungen mit Griechenland über eine Verlängerung oder Lockerung seines Anpassungsprogramms strikt abgelehnt. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt rechtfertigt im Interview mit unserer Redaktion stattdessen die Spanien-Hilfe.

 Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnt Nachverhandlungen mit Griechenland strikt ab.

Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnt Nachverhandlungen mit Griechenland strikt ab.

Foto: dapd, Joerg Koch

"Klar ist, dass wir der Regierung in Athen bei den Reformauflagen keine mildernden Umstände gewähren können", sagte CSU-Landesgruppen-Chefin Gerda Hasselfeldt unserer Redaktion. "Das wäre ein fatales Signal an andere Krisenstaaten, die dann auch Nachverhandlungen fordern würden." Das Interview.

Schon wieder hat der Bundestag einer milliardenschweren Rettungsmaßnahme in der Euro-Krise zugestimmt. Wie lange machen die Abgeordneten das noch mit?

Hasselfeldt: Es ist die Aufgabe von Abgeordneten, schwierige Entscheidungen zu treffen; diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen. Die Turbulenzen an den Märkten und die Schuldenkrise vieler europäischer Länder fordern uns Abgeordnete natürlich ganz besonders. Klar ist jedoch auch, dass die bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Schuldenkrise immer von einer breiten Mehrheit der Koalitionsfraktionen und des Parlaments beschlossen wurden. Die Hilfen für Spanien sind richtig, damit der spanische Bankensektor restrukturiert wird und die Bankenprobleme gelöst werden können. Was passieren kann, wenn ein Bankensektor ins Trudeln gerät, müssten wir alle nach der Pleite von Lehman-Brothers von 2008 noch gut in Erinnerung haben. Wichtig für uns ist: Die Haftung für unsere jetzigen Hilfen liegt beim spanischen Staat.

Reißt die Geduld der Parlamentarier mit den Krisenländern nicht allmählich ab?

Hasselfeldt: Wir tun das, was richtig ist. Natürlich muss jede Entscheidung von den Abgeordneten neu bewertet werden, aber der Kurs ist klar: Finanzielle Hilfen gibt es nur, wenn die betroffenen Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit mit Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen erhöhen. Dass das funktioniert, sieht man beispielsweise an Portugal. Die CSU-Landesgruppe hat in der vergangenen Woche das Land besucht und viele politische Gespräche geführt. Die Einschnitte werden von einem breiten Parteienbündnis getragen und beginnen zu wirken. Wir haben die Reformbemühungen und die Disziplin der Portugiesen als vorbildlich empfunden. Am Beispiel Portugal wird außerdem klar, dass die Hilfen wirken und dass die Programme — zwar mit großen bisweilen auch schmerzhaften Einschnitten für die Bevölkerung —erfolgversprechend sind.

Glauben Sie, dass ein erneutes Griechenland-Paket eine Zustimmung finden würde?

Hasselfeldt: Das steht derzeit nicht zur Debatte. Klar ist, dass wir der Regierung in Athen bei den Reformauflagen keine mildernden Umstände gewähren können. Das wäre ein fatales Signal an andere Krisenstaaten, die dann auch Nachverhandlungen fordern würden.

Wollen Sie Griechenland denn mehr Zeit geben für die Umsetzung der Reformen?

Hasselfeldt: Zeit ist Geld: In Griechenland kostet tatsächlich jede Woche Aufschub für das Erreichen der Defizitziele bares Geld. Für uns als CSU-Landesgruppe steht fest, dass es weder inhaltlich noch auf der Zeitachse Nachverhandlungen geben kann.

Meinen Sie, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleiben kann?

Hasselfeldt: Es liegt an Griechenland, die Maßnahmen umzusetzen und sich in der Euro-Zone zu sanieren. Abstriche beim Programm kann es nicht mehr geben. Die internationalen Geldgeber sind Athen schon sehr weit entgegengekommen. Schließlich gilt: wenn ein Land nicht willens oder in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, muss es die Eurozone verlassen.

In der CSU hört man deutliche Wünsche nach einem Austritt Griechenlands.

Hasselfeldt: Wir haben bereits bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kreuth dieses Jahr beschlossen, dass als letztes Mittel ein Ausscheiden aus dem Euroraum möglich sein muss; der Kreuther-Beschluss gilt auch für Griechenland.

Ihr Parteichef Horst Seehofer hat mehrfach mit dem Aus der Koalition gedroht. Helfen Ihnen diese Äußerungen bei der Arbeit der CSU in der Regierung?

Hasselfeldt: Horst Seehofer hat darauf hingewiesen, dass getroffene Vereinbarungen eingehalten werden müssen, etwa beim Betreuungsgeld. Im September werden wir das Betreuungsgeld beschließen. Und für die Euro-Krise hat die CSU klare Beschlüsse, auf die der Parteivorsitzende deutlich aufmerksam macht.

Muss es denn immer gleich eine Drohung mit dem Äußersten sein?

Hasselfeldt: Horst Seehofer vertritt als Vorsitzender der CSU und als Ministerpräsident die Interessen Bayerns. Das ist seine Aufgabe. Was die Tonlage betrifft, da gibt es in jeder Partei unterschiedliche Typen.

Sie gelten in München gelegentlich als "Merkelianerin", weil sie der Kanzlerin angeblich zu wenig Paroli bieten.

Hasselfeldt: In München bin ich "Merkelianerin", in Berlin bin ich die "Seehoferin". Das gehört offenbar zum Amt des Landesgruppenchefs. Aber im Ernst: Ich vertrete als Landesgruppenchefin die CSU in Berlin. Wir stehen zu dieser Koalition und natürlich auch zur Kanzlerin. Mit ihr an der Spitze ist Deutschland bislang gut gefahren und wird auch die Zukunft erfolgreich meistern. Das, was für Bayern wichtig ist, setze ich durch geräuschlose, solide Politik um. Lautstärke ist für mich kein Qualitätsmerkmal.

Wenn Sie ins Büro kommen und Sie sollen Herrn Seehofer und Frau Merkel zurückrufen. Wen rufen Sie als erstes an?

Hasselfeldt [lacht]: Natürlich Horst Seehofer.

Die Euro-Krise überdeckt fast alle innenpolitische Entwicklungen. Was hat diese Koalition noch vor?

Hasselfeldt: Wir haben Deutschland gut durch die Krise geführt, der Rückgang der Arbeitslosigkeit, die gute finanzielle Situation der Sozialkassen sprechen für sich. Beim letzten Koalitionsausschuss wurden umfassende Beschlüsse gefasst, die auch schon umgesetzt wurden. Nach der Sommerpause werden wir das Betreuungsgeld beschließen und auch bei der Energiewende weitere Schritte gehen. Der neue Umweltminister Peter Altmaier hat sich in den nicht einmal 100 Tagen seiner Amtszeit einen sehr umfassenden Überblick verschafft und auch schwierige Themen angepackt. Was die aktuelle Debatte um die Energiewende betrifft, sehe ich keinen Grund von den durchaus ehrgeizigen Zielen, die wir uns vor einem Jahr gesteckt haben, abzuweichen.

In Köln hat ein Landgericht mit dem Verbot von Beschneidungen für Unruhe in der jüdischen Gemeinde gesorgt. Wann reagiert die Politik?

Hasselfeldt: In der Tat hat das Urteil in der jüdischen Gemeinde, aber auch bei Ärzten und Muslimen Irritationen ausgelöst. Der Bundestag hat die Bundesregierung entsprechend aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich gehe davon aus, dass die Regierung noch im Herbst eine gesetzliche Klarstellung einbringt, die religiöse Anschauungen in Einklang mit dem Kindeswohl und medizinischen Erfordernissen bringt.

Michael Bröcker stellte die Fragen

(brö)
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