Analyse Keine Front gegen Marine Le Pen

Paris · Nach dem Erfolg der französischen Rechtsextremen in der ersten Runde der Regionalwahlen ringen die anderen Parteien um die richtige Strategie. Gemeinsam werden sie sich dem Front National nicht entgegenstellen.

Analyse: Keine Front gegen Marine Le Pen
Foto: dpa, jw pt

Die französische Landkarte ist seit den Wahlen am vergangenen Sonntag zu mehr als der Hälfte braun eingefärbt. Der Norden, der Süden und der Osten tragen die Farben des rechtsextremen Front National (FN). "Wie konnte es so weit kommen?", fragte gestern die Zeitung "Le Monde". Die ausländer- und europafeindliche Partei von Marine Le Pen wurde in der ersten Runde der Regionalwahlen mit 28 Prozent landesweit stärkste Kraft vor den konservativen Republikanern mit 27 und den regierenden Sozialisten mit 23 Prozent. "Historisch" nennt FN-Vize Florian Philippot den Erfolg, der seiner Partei die Spitzenposition in sechs von 13 Regionen verschafft. Mehr als 40 Prozent der Wähler stimmten am Sonntag im Norden für Parteichefin Marine Le Pen und in der Mittelmeerregion für ihre Nichte Marion.

Es war eine Mischung aus Verzweiflung und Angst, die die Wähler in die Arme der Rechtspopulisten trieb. Verzweiflung über die seit Jahren steigende Arbeitslosigkeit und die Reformunfähigkeit der Regierungen, egal ob links oder rechts. "Wir sind die einzigen, die die verlorenen Gebiete der Republik zurückerobern können", sagte Marine Le Pen am Wahlabend. Sie meinte damit die Problemvorstädte des Landes ebenso wie das für sein Flüchtlingslager bekannte Calais am Ärmelkanal, wo der FN knapp 50 Prozent der Stimmen holte.

Dazu profitierte die für ihre islamfeindlichen Parolen bekannte Partei von der Angst, die sich nach den Anschlägen am 13. November breitgemacht hatte. "Die Stürme der Aktualität haben die braune Brühe wie nie zuvor zwischen der Einwanderungswelle im Sommer und den Anschlägen im November hin und her schwappen lassen", schreibt die Zeitung "Libération". Doch Marine Le Pen, die die Parteiführung vor knapp fünf Jahren von ihrem Vater übernahm, hütet sich vor lautem Jubelgeschrei. Sie hat noch die Départementswahlen im Frühjahr in Erinnerung, als ihre Partei zwar in der ersten Runde erfolgreich war, es dann aufgrund des Mehrheitssystems aber nicht schaffte, eines der 101 Départements zu erobern.

Bei den Regionalwahlen könnte der FN von einem komplizierten Wahlsystem profitieren, das eigentlich dazu gedacht war, den Aufstieg der Rechtsaußen-Partei zu verhindern. Der Sieger der Stichwahlen, die am kommenden Sonntag stattfinden werden und zu denen alle Kandidaten antreten können, die in der ersten Runde die Zehn-Prozent-Hürde nehmen konnten, erhält nämlich noch einmal 25 Prozent der Sitze in den Regionalräten dazu und kommt damit auf die absolute Mehrheit. In der Nord-Region muss Marine Le Pen allerdings damit rechnen, dass viele Wähler der Sozialisten ihre Stimme dem zweitplatzierten Konservativen Xavier Bertrand geben. Die Sozialisten, die ihre fünfte Wahlschlappe in Folge erlitten, zogen sich auch in der Mittelmeerregion aus dem Rennen zurück, um einen Sieg von Marion Maréchal-Le Pen zu verhindern.

Von einem "Staudamm" gegen den Front National sprach Parteichef Jean-Christophe Cambadélis. Am kommenden Sonntag wolle er überall dort keine sozialistischen Kandidaten mehr sehen, wo die Chancen für einen konservativen Kandidaten größer sind, den FN zu schlagen. Im nördlichen Nord-Pas de Calais-Picardie sowie in Provence-Alpes-Côte d'Azur im Südosten werden die sozialistischen Kandidaten nicht mehr antreten. Der Damm gegen den FN ist allerdings brüchig, da in der neuen großen Ostregion Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne der drittplatzierte Sozialist Jean-Pierre Masseret nicht auf die Stichwahl verzichten will. Damit spielt er dem FN-Kandidaten Florian Philippot in die Hände, der mit 36 Prozent vor dem Konservativen Philippe Richert (26 Prozent) liegt.

Doch auch die Konservativen sind sich uneins über die weitere Strategie. Während Parteivize Nathalie Kosciusko-Morizet dafür plädierte, in Languedoc-Roussillon/Midi-Pyrénées nicht mehr anzutreten, verweigern sich andere Konservative der "Republikanischen Front", um einen Sieg des FN zu verhindern. "Wir bleiben unseren Überzeugungen treu und geben der Versuchung nicht nach, mit den Stimmen der Franzosen zu spielen", sagte ein sichtlich angeschlagener Nicolas Sarkozy. Der Parteichef, dessen Republikaner nur in vier Regionen vorne liegen, muss um seine schon sicher geglaubte Kür zum Präsidentschaftskandidaten im nächsten Jahr fürchten. Wer dagegen mit einem Wahlerfolg im Rücken Richtung Elysée strebt, zeigte die Zeitung "Le Parisien": "Der FN vor den Toren der Macht", titelte das Blatt.

(RP)
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