Barcelona Kataloniens Küste unter Terrorschock

Barcelona · Die Terrorzelle von Barcelona scheint weitgehend zerschlagen, für die Polizei gibt es viel Lob. Aber der Schock im Land sitzt tief.

Trauergottesdienst für Terroropfer in Barcelona
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Trauergottesdienst für Terroropfer in Barcelona

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Durch die Passionspforte strömen die Gläubigen, das spanische Königspaar schreitet durch das Geburtsportal in Barcelonas berühmtestes Gotteshaus. In der imposanten Sagrada Familia gedenken die Menschen gestern der Opfer der Terroranschläge in Katalonien. Felipe VI. und seine Frau Letizia sitzen im Chor der von Antoni Gaudí (1852 - 1926) entworfenen Kirche, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau in den vorderen Reihen. Das Mittelschiff der nie vollendeten und ewig von Baukränen überragten modernistischen Basilika ist voll besetzt. In den Seitenschiffen und auf den Emporen aber bleiben Plätze leer - viele haben wohl zu spät von dem kurzfristig angesetzten Gottesdienst erfahren.

Doch zur Trauer bedarf es in Barcelona keiner Kirchenmauern. Seit ein Attentäter am Donnerstag mit einem Lieferwagen 13 Menschen tötete und rund 120 verletzte, sind am Tatort, der Flaniermeile Las Ramblas, spontan kleine Altäre auf dem Pflaster entstanden. Die Menschen zünden im Gedenken an die Toten immer wieder neue Kerzen an. Ein wahres Blumenmeer bedeckt die Stelle, wo ein Mosaik des Künstlers Joan Miró (1893-1983) in den Boden eingelassen ist. Dort hatte der Fahrer des Todeswagens gestoppt. Hier legten Felipe und Letizia am Samstagabend Blumen nieder, König Felipe bezeichnete die Ramblas als "Symbol des Zusammenlebens". Zuvor hatte das Königspaar in zwei Krankenhäusern Verletzte besucht; darunter waren auch mehrere Kinder, die bei der Todesfahrt des Lieferwagens verwundet worden waren.

Unzählige Bürger standen am Samstagabend vor dem Rathaus Barcelonas noch Schlange, um sich in die Kondolenzbücher einzutragen. Eigentlich sollte um 20 Uhr Schluss sein, doch die Frist wurde verlängert. Jubel gab es am Nachmittag für Barcelonas Taxifahrer, als sie in einem Trauerkorso die Ramblas hoch und runter fuhren. Und immer wieder ertönte auf dem Boulevard der Ruf "No tinc por" - "Ich habe keine Angst" auf Katalanisch.

Dem Terror trotzen, das ist auch die Devise an anderen Orten der katalanischen Mittelmeerküste. In Alcanar, rund 200 Kilometer südwestlich von Barcelona, gehen die Ermittlungen weiter. Die Polizei glaubt, dass die Attacke hier vorbereitet wurde. Am Mittwochabend war ein eingeschossiges Haus, wo sich einige Terrorverdächtige aufhielten, nach einer Explosion in die Luft geflogen.

Wirtin Kerstin Bolz bediente gerade ihre Gäste auf der direkt über dem Mittelmeer gelegenen Pool-Terrasse ihres Hotels Montecarlo, als der gewaltige Knall die Nacht zerriss. Erst Tage später wurde klar, was 100 Meter landeinwärts passiert war. "Fürchterlich, dass so etwas hier bei uns geschehen kann", sagt die vor rund 30 Jahren aus Celle nach Spanien ausgewanderte deutsche Gastronomin.

Am Wochenende hat die Polizei am Tatort weiter viel zu tun. Der Olivenhain rund um das zerstörte Haus wurde mit Flatterband abgesperrt, die Fernsehteams müssen Abstand halten. Mit gezielten Sprengungen versuchen Sicherheitskräfte, womöglich noch verborgene Sprengstoffreste unschädlich zu machen. Vorsicht ist angebracht: Nach der ersten Explosion, bei der womöglich mehrere mutmaßliche Terroristen getötet und ein weiterer schwer verletzt wurden, wurden bei einer zweiten Detonation am Donnerstag nach Aussage von Stadtrat Jordi Bort fünf Polizisten, drei Feuerwehrleute und ein Baggerfahrer verletzt. In den Ruinen sollen auch Spuren des hochexplosiven Sprengstoffs Triacetontriperoxid (TATP) gefunden worden sein.

Die Strände am Ortsrand von Alcanar sind bei Ausflüglern trotz eines nahen Zementwerks beliebt. "Man konnte sich nicht vorstellen, dass so etwas ausgerechnet hier passiert", sagt der Elektriker Juan Guerrero aus Barcelona, ein Stammgast im naheliegenden Strandhotel Montecarlo.

In Cambrils, von Barcelona aus etwa auf halber Strecke Richtung Alcanar, erinnert am Wochenende nur noch wenig an die dramatische Nacht zum Freitag, als die Polizei fünf Terroristen nach einer Verfolgungsjagd erschoss und eine Frau tödlich verletzt wurde. Vor dem Club Náutic flanieren wieder Touristen in Strandkleidung, tragen Einkaufstaschen in der Hand oder Klappstühle unterm Arm. Nur unter der Infotafel des ansässigen Yachtclubs liegt ein Blumenstrauß, davor einige Kerzen, darüber ein weißer Luftballon mit roten Herzen und der Aufschrift "I love Cambrils".

Alex Ciurana, Matrose im Club Náutic, erinnert sich noch genau, wie sich am Freitag um 1 Uhr morgens ein Auto nach rasender Fahrt überschlug und das Feuergefecht zwischen Terroristen und Polizei ausbrach. Einige Nachtschwärmer hätten gedacht, es sei ein Unfall und hätten zur Hilfe eilen wollen. "Ich schrie: Es ist ein Anschlag, flieht. Ich schrie in allen Sprachen, die ich kann, Katalanisch, Spanisch, Englisch", erzählt der Mann. Sein Kollege, ein Marokkaner, ist betrübt, dass es sich bei den Terroristen anscheinend um Landsleute handelte. "Sie sind jetzt tot, aber wir haben das Problem: Die Leute werden wieder glauben, dass wir alle schlecht sind", sagt er.

(dpa)
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