Justin Trudeau Der Kennedy aus Kanada

Ottawa · Premierminister Justin Trudeau hat eine ähnliche Aufbruchstimmung in seinem Land erzeugt wie einst US-Präsident Obama.

 Justin Trudeau ist der neue kanadische Premierminister.

Justin Trudeau ist der neue kanadische Premierminister.

Foto: dpa

Wenn am Mittwoch die Staats- und Regierungschefs der großen westlich geprägten Industrienationen zum G 7-Gipfel im japanischen Ise-Shima zusammenkommen, gibt es einen Neuen in der Runde: Der kanadische Premierminister Justin Trudeau ist seit November im Amt. Er ist der Typ, der mit einer mächtigen Bugwelle anreist: In Kanada wird der junge, linksliberale, smarte Premier wie ein Popstar gefeiert.

Die amerikanischen Medien ließen sich bei Trudeaus Antrittsbesuch in den USA dazu hinreißen, den Premier und seine attraktive Frau mit John F. und Jackie Kennedy zu vergleichen. Mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama, mit dem er auch schon verglichen wurde, fand Trudeau gleich eine gemeinsame Wellenlänge - trotz seiner Ankündigung, die kanadischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen und keine Einsätze mehr gegen den IS zu fliegen. Der Kennedy-Vergleich wurde dann noch vom britischen "Daily Mirror" getoppt, der Trudeau den Titel des "sexiesten Politikers der Welt" verlieh.

Der G 7-Gipfel, an dem die Staats- und Regierungschefs große Krisen wie den Ukraine-Konflikt, den Syrien-Krieg und humanitäre Fragen besprechen, gilt immer auch dem persönlichen Austausch und dem Kennenlernen der Neuen. Trudeau kann in der malerischen Kulisse der japanischen Halbinsel Ise-Shima in den kommenden zwei Tagen seinen Charme spielen lassen und für seinen linken, liberalen, weltoffenen Politikansatz Werbung machen.

Der Name Trudeau hat in der kanadischen Politik Tradition. Trudeaus Vater Pierre war zweimal Ministerpräsident und prägte die 70er Jahre. Als Justin Trudeau 1971 zur Welt kam, führte sein Vater schon drei Jahre die Geschicke des Landes. Seine politische Karriere war dennoch nicht selbstverständlich. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Literaturwissenschaften und einen in Erziehungswissenschaften. Er unterrichtete als Lehrer und studierte Umweltgeografie, was er aber abbrach, um in die Politik zu gehen.

Von seinen Kritikern wird der 44-Jährige als leichtfüßig und unseriös beschrieben. Seine Anhänger sehen in ihm einen Hoffnungsträger, der Kanada sein weltoffenes Image zurückgeben wird. Dieses hatte zuletzt unter seinem Vorgänger, dem konservativen Stephen Harper, gelitten. Im Wahlkampf 2015 schlug Harper in dem Einwanderungsland anti-muslimische Töne an. Trudeau hingegen nahm als eine seiner ersten Amtshandlungen in Kanada 25.000 Flüchtlinge auf, die er teilweise selbst in der Nacht am Flughafen begrüßte. Wie die deutsche Kanzlerin gönnte er sich auch ein paar Selfies mit Neuankömmlingen. Wie valide Trudeau Politik macht, wird er in den kommenden Jahren zeigen müssen. Seinen Aufstieg verdankt er jedenfalls auch seinem Showtalent. Wie der russische Präsident Wladimir Putin präsentiert sich der enorm sportliche Politiker auch gerne physisch. Bei einem Benefiz-Boxkampf gegen einen konservativen Politiker, den er gewann, posierte er mit nacktem Oberkörper. Etwa drei Jahre alt ist ein Foto, auf dem er an einer Tischkante die Yoga-Stellung "Der Pfau" einnimmt, wofür Oberkörper und Beine frei in der Luft schweben - nur die Hände halten den Körper.

Sein Image als jedermanns Liebling bekam in der vergangenen Woche allerdings ein paar dicke Kratzer. Im Parlament verlor er die Beherrschung. Offenbar wollten einige konservative Abgeordnete eine Abstimmung zum Thema Sterbehilfe hinauszögern. Videos zeigen, dass Trudeau auf einen der konservativen Abgeordneten losgeht, ihn am Arm zerrt, um ihn auf seinen Sitzplatz zu bewegen. Eine sozialdemokratische Abgeordnete bekommt seinen Ellenbogen ab. Nun diskutiert Kanada, ob sein Premierminister ein Aggressionsproblem hat. Trudeau entschuldigte sich inzwischen mehrfach und äußerst zerknirscht. Handgemenge im Parlament kennt man aus der arabischen Welt. Zur Kultur der G 7-Staaten gehören sie definitiv nicht.

Im Wahlkampf hatte Trudeau den Bürgern eine andere Politik, einen anderen Regierungsstil versprochen. Er ließ sich mit schwulen Vätern und deren Zwillingstöchtern fotografieren. Den Diplomaten im Land erlaubte er ausdrücklich, ihre Meinung zu sagen. Sein Kabinett ist bunt gemischt: Ureinwohner, Einwanderer, Flüchtlinge, und zur Hälfte ist es weiblich. Warum das so ist? Darauf sagte er nach der Vereidigung nur: "Weil wir 2015 haben."

Doch Trudeau wird mehr benötigen, um seine Bürger dauerhaft zufriedenzustellen. Mit dem gesunkenen Ölpreis ist die Arbeitslosigkeit in Kanada erheblich gestiegen. Trudeau kehrt der Sparpolitik seines Vorgängers den Rücken und setzt auf Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wissenschaft. Die Verschuldung in seinem ersten Haushalt liegt bei 20 Milliarden Euro. Wenn der Job-Motor nicht anspringt, wird Trudeau diese Politik um die Ohren fliegen.

(qua)
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