Kanada Justin Trudeau - Der coole Premier

Ottawa · Kanadas junger Regierungschef Justin Trudeau ist drauf und dran, die legendäre politische Dynastie seiner Eltern fortzuführen. Aber nicht nur das: Die "New York Times" bescheinigte dem nordamerikanischen Land jüngst: "Unter Justin Trudeau ist Kanada wieder cool geworden."

Kanada: Justin Trudeau - Der coole Premier
Foto: ap

Das "Paradise Beach Resort" auf der kleinen Karibikinsel Nevis ist der Traum eines jeden Urlaubers. Die luxuriöse Anlage besticht durch stilvoll eingerichtete Villen mit Blick aufs Meer, teure Möbel und eine elegante Architektur. Dazu kommen üppige tropische Gärten, feine Sandstrände mit Kokospalmen und private Swimmingpools für die ganze Familie. Es ist ein Ferienparadies, das sich nur wenige leisten können. Justin Trudeau, der neue kanadische Premierminister, gehört zu diesen Menschen.

Über Neujahr verbrachte der 44-jährige Politiker zehn entspannte Tage in dem Resort zusammen mit seiner Frau Sophie Grégoire und ihren drei Kindern Xavier, Ella-Grace und Hadrien. Die Trudeaus sind in Kanada eine politische Dynastie wie einst die Kennedys in den USA und Ferien unter Palmen gehören quasi zur Familientradition. Auch Tru- deaus Eltern Pierre Elliott und Margaret verbrachten in den 70er Jahren so manchen Tauchurlaub in der Karibik. Damals regierte Trudeaus charismatischer Vater Kanada mit viel Glamour und Flower-Power.

Heute würde sich nicht jede Politikerfamilie derart luxuriöse Ferien leisten, denn das wird vom Wahlvolk nicht immer goutiert. Schlecht kommt es bei den Bürgern normalerweise auch an, wenn sich ein Regierungschef zwei Kindermädchen aus Steuermitteln bezahlen lässt, obwohl er im Wahlkampf wohlhabende Familien noch aufgefordert hatte, die Betreuung ihrer Kinder selbst zu bestreiten. Genau das aber hat Justin Trudeau unlängst getan.

Doch dem neuen Superstar der kanadischen Politik hat das bislang nicht geschadet. Drei Monate nach seinem überraschenden Wahlsieg im Oktober reitet der charismatische Politiker auf einer Welle der Popularität. Demoskopen haben gemessen, dass zwischen 50 und 60 Prozent aller Kanadier zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrem neuen Regierungschef sind - Karibikurlaub hin, Kindermädchen her. Eine Umfrage kürte den gelernten Pädagogen und Snowboard-Lehrer unlängst sogar zum beliebtesten Premierminister der Neuzeit, noch vor seinem Vater, der Kanada mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1968 und 1984 regiert hatte.

"Die Flitterwochen dauern an", schieb die bekannte kanadische Kolumnistin Carol Goar unlängst in der Zeitung "Toronto Star". Trudeau habe es im Wahlkampf und in den ersten Wochen im Amt geschafft, die kanadische Seele zu streicheln. Viele Kanadier seien nach über einem Jahrzehnt unter stramm konservativer Ägide wieder stolz auf ihr Land und Trudeaus neue Politik in der Flüchtlingsfrage, beim Klimaschutz oder auch auf der internationalen Bühne. Tatsächlich hat Trudeau in den ersten Wochen in atemberaubendem Tempo mit der Politik seines Vorgängers Stephen Harper gebrochen. Trudeau öffnete Kanada für Flüchtlinge, spielte eine positive Rolle bei der Weltklimakonferenz in Paris, kündigte den Abzug von Kampfjets aus dem Irak an, verlangte die systematische Aufklärung von Gewalttaten an Kanadas Ureinwohnern, erlaubte muslimischen Frauen bei der Einbürgerung den Gesichtsschleier und senkte das Rentenalter von 67 auf 65 Jahre.

Dabei überzeugt er die Kanadier mit seiner gewinnenden Art, seinem schier grenzenlosen Optimismus und ausgleichenden Wesen, das ihn nicht nur von seinem eher drögen Vorgänger sondern auch von seinem im Jahre 2000 verstorbenen Vater unterscheidet. Trudeau senior war exzentrisch, ausschweifend, intellektuell brillant, hatte Kanada aber über weite Strecken mit harter Hand und ausgefahrenem Ellenbogen regiert, was ihm viele politische Feindschaften einbrachte.

Trudeau junior dagegen ist eher auf Harmonie und Konsens gepolt und sagt nur ungern Nein. Damit ist er ein gutes Spiegelbild seines Landes, gelten die Kanadier doch anders als ihre bisweilen polternden Nachbarn aus den USA als höflich, nett und zuvorkommend. "Wenn Sie nach einem Land schauen, das stolz auf seine Vielfalt, seine Stabilität und seine positive Einstellung ist, dann sind sie in Kanada richtig", beschrieb Trudeau sein Land jüngst auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos.

Wie einst Barack Obama verkörpert auch Trudeau eine Ära des Neuanfangs und der Offenheit. In den ersten Wochen gab er mehr Interviews und Pressekonferenzen als sein verschlossener Vorgänger in einer ganzen Wahlperiode. Er weicht kaum einer Kamera und schon gar keinem Smartphone aus, was ihm den Spitznamen "Selfie-Premier" eingebracht hat. Er chattet in Internetforen und sucht den körperlichen Kontakt zu seinen Wählern, sei es in einer U-Bahn-Station in seiner Wahlheimat Montréal oder beim Christopher-Street-Day im Schwulenviertel von Vancouver. Fast, als sei er noch immer im Wahlkampf.

Trudeau umgibt die Aura eines Stars. Er sieht gut aus, was er mit dem Satz "darüber beschwere ich mich nicht" kommentiert. Als ihn seine politischen Gegner im Wahlkampf wegen seiner vollen Haarpracht lächerlich machen wollten, konterte er mit einer Serie von TV-Spots zum Thema Haare. Immer wieder zeigt er stolz sein Tattoo auf dem Oberarm. In einem Interview bezeichnete er sich als "Feministen", danach besetzte er seine Regierungsmannschaft zur Hälfte mit Frauen. Er berücksichtigte in seinem Kabinett auch benachteiligte Gruppen wie Ureinwohner, Behinderte oder Zuwanderer, um die Vielfalt Kanadas abzubilden. Auf die Frage warum, antwortete er mit einem Satz, der in Kanada mittlerweile Kultstatus erlangt hat: "Weil es das Jahr 2015 ist."

Gekonnt setzt er sich auch immer wieder in Szene, wie vor ein paar Jahren, als er sich bei einem Boxkampf mit einem Politiker der Konservativen duellierte und am Ende überraschend gewann. Mit seiner Frau posierte er jüngst leger wie ungeniert bei einem Foto-Shooting für die US-Modezeitschrift Vogue. Die Redakteure beschrieben Trudeau als auffällig jung, gut frisiert und modebewusst. Mit seinem flotten Anzug und seinen frechen braunen Schuhen unterscheide er sich wohltuend vom langweiligen Durchschnittspolitiker. "Unter Justin Trudeau ist Kanada wieder cool geworden", bilanzierte jüngst auch die "New York Times".

Dazu trägt auch Trudeaus Frau Sophie Grégoire bei. Die 40-jährige Québecerin arbeitete einst als Model, Fernsehmoderatorin und Yoga-Lehrerin und ist Scheinwerferlicht und markante Auftritte gewohnt. Bei einer Benefizveranstaltung Anfang Januar verzichtete sie kurzerhand auf die ihr zugedachte Rede und sang stattdessen vor laufenden Kameras den Blues "Smile back at me". Viele ältere Kanadier erinnerte das an das Jahr 1976. Damals hatte Trudeaus Mutter Margaret bei einem Staatsbesuch in Venezuela an der Seite ihres mehr als doppelt so alten Mannes den verdutzten Gästen den "Song of Love" präsentiert. Das Lied war eine unverhohlene Anspielung auf die wilden 68er-Jahre, als auch die Trudeaus mit Drogen experimentierten und sich Affären mit Promis wie Barbara Streisand, Ted Kennedy oder Mick Jagger leisteten, bis ihre Ehe einige Jahre später schließlich zerbrach.

Im Vergleich dazu geht es bei Trudeau junior gesittet zu, auch wenn er als Abgeordneter einst Marihuana rauchte, wie er im Wahlkampf offen zugab. Doch das verzeihen im die Kanadier bislang ebenso wie verpasste Stichtage oder gebrochene Wahlversprechen, bislang jedenfalls. So musste Trudeau bei der Aufnahme von Flüchtlingen seinen Zeitplan aufgeben. Die Kampfflugzeuge aus dem Irak kommen später heim als versprochen. Und die geplante Erhöhung des Spitzensteuersatzes wird anders als angekündigt nicht ausreichen, um die Steuern für Normalverdiener zu senken.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort