Persönlich Joschka Fischer . . . hält Tempo 30 für Unfug.

Der frühere Außenminister und heimliche Grünen-Chef Joschka Fischer (68) ist vieles: ein glänzender Redner, ein Gourmet und Weinkenner, ein überzeugter Europäer und Freund der US-Außenministerin Madeleine Albright. Aber eines ist er gewiss nicht: ein defensiver Autofahrer.

Ob er sich nachts innerstädtisch an Tempo 30 halten würde, wie es die Grünen flächendeckend fordern, wurde er von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gefragt. "Das glauben Sie doch nicht im Ernst. Ich bin ja auch für Lärmschutz, aber das Leben ist nun mal, wie es ist. Nachts sind die Straßen leer, die Kundschaft steht auf der Straße, und es muss Geld reinkommen", sagte der einstige Taxifahrer. Der Patriarch der Grünen hat immer gern seine eigene Meinung behalten, wenn es um die wichtigen Dinge im Leben ging. Gemeinsam mit SPD-Kanzler Gerhard Schröder führte er die Bundesrepublik in den ersten Krieg seit 1945, um die Kosovaren vor einem Völkermord durch die Serben zu bewahren.

Dann brachte er die Grünen von ihrem waghalsigen Kurs ab, den Benzinpreis auf fünf Mark zu hieven und Mallorca-Urlaube zu begrenzen. Fischer wurde zur Gegen-Instanz in einer protestantisch-asketischen Partei, prall und lebenszugewandt. Kein Wunder, dass es zwischen beiden ständig zu Spannungen kam, die sich schon mal in Farbattacken auf einem Parteitag entladen konnten.

Dem Taxifahrer und Alt-Außenminister lassen die Grünen wahrscheinlich die Tempo-30-Haltung genauso durchgehen wie alle anderen Zumutungen. Es wissen eben beide, was sie an sich hatten und immer noch haben. Denn Fischer gehört inzwischen zum historischen Inventar der einstigen Alternativ-Partei. "Deutschland wäre sehr viel ärmer ohne die Grünen", bekannte er im gleichen FAZ-Interview, in dem er seine Haltung zu Tempo 30 kundtat. "Wir haben einander aber auch viel zugemutet, auch ich der Partei", so Fischer.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort